„Was der neue Terror für die Wirtschaft bedeutet“

Die schrecklichen Nachrichten aus Paris können niemanden unberührt lassen. Erneut ist der islamistische Terror auch für uns in Europa unmittelbar spürbar. Auch wenn die ökonomischen Konsequenzen des Terrors nicht vordringlich sind, so werden sie doch mittelbar relevant werden. Der Terror wird die bestehenden Entwicklungen nicht ändern, wohl aber sie beschleunigen.

Dabei lohnt ein kurzer vergleichender Blick auf die ökonomische Situation am 11. September 2001. Die amerikanische Wirtschaft steckte bereits in der Rezession, die Kapitalmärkte waren bereits vom Platzen der Dotcom-Blase angeschlagen. Die Anschläge drohten, die Wirtschaft und die Finanzmärkte weiter in die Krise zu stürzen. Die US-Notenbank hatte damals aber noch genügend Spielraum, um mit deutlichen Zinssenkungen die Wirtschaft noch einmal zu beleben. Wenn auch zum Preis einer weitaus größeren Krise ein paar Jahre später, als die vom billigen Geld aufgepumpte Immobilienblase platzte.

Heute befinden wir uns in einer schlechteren Situation. Die Schulden sind höher, die Zinsen schon auf praktisch null, die grundlegenden Probleme der Eurozone nicht gelöst. Dennoch werden auch heute die Notenbanken und die Staaten alles tun, um ein Abgleiten in eine erneute Rezession zu verhindern. Konsumenten mögen sich zwar aus Angst von Anschlägen mit Konsum zurückhalten, doch dank Internethandel würde dies vor allem nur die stationären Geschäfte treffen und der ohnehin stattfindende Strukturwandel zusätzlichen Schub bekommen.

Doch blicken wir weiter. Die Staaten leiden unter zu hohen Schulden, die in vielen Ländern schon lange den „Point of no Return“ hinter sich gelassen haben. Frankreich hätte auch ohne die Anschläge nie und nimmer seine Staatsschulden ordentlich bedient. Nun bieten der Terror, die Flüchtlingskrise und der sich abzeichnende Krieg – der sich hoffentlich nicht zu einem dritten Weltkrieg ausweitet, wie vom Papst befürchtet – die Rechtfertigung, um die Politik in Gang zu setzen, die ohnehin zu erwarten war:

  • Eine offizielle Abkehr von der Sparpolitik. Nicht nur die Kosten der Flüchtlingskrise dürften bei der Berechnung der Defizite außen vor bleiben, auch die Ausgaben für das Militär.
  • Ein immer offenerer Einstieg in die Monetarisierung der Staatsschulden. Das ist ohnehin ein Lieblingsthema auf der Agenda der politischen Linken und der Eliten in den Krisenstaaten inklusive Frankreichs. Und so dürften in diesen „ungewöhnlichen Zeiten“ auch entsprechend ungewöhnliche Maßnahmen angezeigt sein. Dabei ist es völlig unerheblich, dass der tiefere Grund, in diese Richtung zu gehen, die schon bestehende untragbare Schuldenlast ist – nicht die akute Bedrohung durch Terror und Krieg.
  • Eine zunehmende Abschottung der eigenen Märkte. Es ist abzusehen, dass das Schengen-Abkommen – schlecht gemacht wie der Euro, wie schon vor einigen Wochen an dieser Stelle konstatiert – seinem Ende zuläuft. Damit wird aber eine Entwicklung eingeleitet, die die Gefahr in sich trägt, dass die Staaten Europas wieder mehr auf die Nationalstaatlichkeit zurückfallen. Von Grenzkontrollen bis zu den ersten Handelshemmnissen ist es dann nur noch ein kleiner Schritt, selbst wenn der Binnenmarkt natürlich formal bestehen bleibt.
  • Eine Radikalisierung der Politik dürfte dies verstärken. Von sechs Jahren Eurokrise gezeichnet, wächst der Nährboden für eine zunehmende Radikalisierung und Nationalisierung der Politik. Damit wächst aber auch die Gefahr, dass das Vertreten nationaler Interessen noch deutlicher in den Vordergrund tritt und die Bereitschaft, gemeinsame europäische Lösungen zu finden, immer mehr abnimmt.
  • Was letztlich doch das Ende des Euro bringen könnte. Zunehmender Nationalismus, ungelöste Schulden und Wachstumsprobleme, zunehmende Spannungen zwischen den Ländern werden nicht nur radikale Kräfte stärken, sondern auch jene, die das starre Konstrukt des Euro aufbrechen wollen. In einem Europa, das immer mehr auf die Nationalstaaten zurückfällt, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis ein Mitgliedsland diesen Schritt geht.

Dennoch wird man nicht sagen können, dass dies die Islamisten mit ihrem Terrorismus erreicht hätten. Es ist eine ohnehin schon bestehende Entwicklung, die sich durch die Anschläge von Paris nur beschleunigt.

Ich hoffe, dass sich mein Bild als zu pessimistisch herausstellt und dass es den Europäern doch gelingt, zusammenzustehen und Binnenmarkt und Euro zu retten. Ohne eine großzügige Monetarisierung der Schulden wird dies aber nicht gehen. Egal, ob uns in Deutschland das passt oder nicht.

manager magazin online: „Was der neue Terror für die Wirtschaft bedeutet“, 16. November 2015

Kommentare (6) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Christian Müller
    Christian Müller sagte:

    In den USA nennt sich dies Kriegs-Keynesianismus. Es ist die einzige Nachfragestimulierung, die für die Republikaner ideologisch vertretbar ist. Aufgrund der Maastricht-Kriterien und dem Stabilitätspakt gibt es für Europäische Regierungen rechtlich kaum einen anderen Weg.

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  2. Uwe Isack
    Uwe Isack sagte:

    Man könnte den Freihandel in Europa festschreiben und den Euro opfern.
    Unterschiedliche Bonitäten führten zur Schuldenbereinigung und machten einen Neustart möglich.
    Von “Oben” verordnet, hätte dieser allerdings keine Chance.
    Der Wähler muß mitgenommen werden. Wie das allerdings gegen die Interessen der “Nichtgewählten Entscheider”
    durchgesetzt werden kann, ist mir schleierhaft.

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