„Warnsignale für die Märkte – die Profis steigen aus“

Folge 6 meiner regelmäßigen Kolumne zum Thema Geldanlage bei WiWo.de:

Das Marktumfeld ist nicht gerade gut. Wir befinden uns an der Spitze des Berges, von da geht es eher runter als hoch. Welche Warnsignale es gibt und warum einseitige Strategien jetzt so gefährlich sind.

In der vergangenen Woche habe ich an dieser Stelle gezeigt, dass Privatanleger am besten fahren, wenn sie ein stabiles Portfolio aus Aktien, Anleihen, Liquidität in verschiedenen Währungen, Gold in physischer Form und Immobilien bauen. Dies mit einem klaren Fokus auf Kosten und möglichst wenig kurzfristig orientiertem Handel, weil dies die Kosten treibt und Timing ohnehin fast nie gelingt.

Nicht wenige Leser kamen mit der Frage zurück, wie das denn zu der Aussage aus meiner Auftaktkolumne passe, wonach alle Märkte nach einem 35-jährigen Bullenmarkt auf luftigen Höhen angekommen sind. Sollte man da nicht von der oben genannten Allokation abweichen? Die kurze Antwort ist, ja. Aber eben nicht radikal, sondern mit Bedacht.

Grundsätzlich sollte einmal im Jahr eine Neuausrichtung des Portfolios stattfinden. Das richtige Ausbalancieren hängt jedoch vom Ausgangspunkt ab. Entspricht das Portfolio schon den Grundsätzen der Diversifizierung, braucht man nur noch regelmäßig den Anteil der Vermögenswerte zu reduzieren, der in der vergangenen Periode besonders gut gelaufen ist. Umgekehrt wird der Anteil der zurückgebliebenen Assets erhöht. Betrachten wir den Aufschwung seit 2009, so hätten wir also kontinuierlich den Anteil an Anleihen und Aktien reduziert, zugunsten von Gold – seit dem deutlichen Rückgang 2011 – Immobilien und vor allem Liquidität. Eine Strategie, die man auch heute so fortsetzen kann.

Krisenindikatoren sprechen gegen Einstieg

Anders sieht es aus, wenn das eigene Portfolio von dieser Grundallokation noch zu weit entfernt ist. Ist der Aktienanteil zu niedrig, stellt sich zum Beispiel die Frage nach dem Einstiegszeitpunkt.

Auch wenn es quält, den letzten Aufschwung verpasst zu haben, Angst zu haben, den Anschluss ganz zu verlieren, und den aktuell fallenden Aktienkursen nur zuzuschauen – die klare Antwort lautet: Jetzt ist kein guter Zeitpunkt für einen kräftigen Neueinstieg. Wieder ist Disziplin angesagt: eine vorsichtige Umschichtung in die Märkte für jene, die noch nicht dabei sind, und ein allmählicher Rückzug aus riskanten Vermögenswerten für jene, die weniger als 20 Prozent in Liquidität investiert sind.

Der Nobelpreisträger Robert Shiller, berühmt geworden durch seine Warnungen vor dem Platzen der Technologieblase im Jahr 2000 und der Immobilienblase 2007 hat da eine einfache Regel. Wenn man nur noch kauft, aus Angst etwas zu verpassen, dann ist die Blase schon da. Und in der Tat leuchtet eine lange Liste an Krisenindikatoren rot:

  • Da ist zunächst die Bewertung der Aktien. Vergleicht man Aktien mit Anleihen, so erscheinen Aktien billig. Selbes Ergebnis im sogenannten „Fed-Modell“, welches Anleihen- und Dividendenrenditen miteinander vergleicht. Solche Vergleiche – mit Verlaub – erinnern mich an einen Autofahrer, der sich mit 1,5 Promille noch für fahrtüchtig hält, nur weil der neben ihm Sitzende schon zwei Promille im Blut hat. Seriösere Analysen, wie das rollierende Shiller-PE, zeigen hingegen Bewertungen in den USA, die nur vor dem Platzen der Blase im Jahre 2000 noch höher waren. Verglichen damit sind die Bewertungen in Europa noch deutlich tiefer, wobei auch hier das bereits vor zwei Wochen Gesagte gilt: Relativ billiger zu sein ist keine Garantie dafür, dass sich das jemals ändert. Europa notiert seit Jahrzehnten mit einem Abschlag zu den USA.
  • Es waren die massiven Aktienrückkäufe, die den Markt in den USA in den vergangenen Jahren gestützt haben; die größten Nachfrager nach Aktien dürften die Unternehmen selbst gewesen sein. Hintergrund sind verfehlte Anreizsysteme für Manager, die den Gewinn pro Aktie in den Vordergrund stellen. Durch die Reduzierung des Aktienumlaufs werden so Ziele erreicht, ohne wirklich den Wert des Unternehmens zu steigern. Dabei lehrt die Geschichte, dass Manager prozyklisch handeln. In guten Zeiten kaufen sie Aktien zurück, meist zu überhöhten Preisen. In schlechten Zeiten sind sie die Verkäufer von Aktien. Waren es früher die sprichwörtlichen Milchmädchen, die das Ende des Aktienaufschwungs ankündigten – „Milchmädchen-Hausse“ – so sind es heute die Unternehmen selbst.
  • Dies gilt auch für den Kauf von Aktien anderer Unternehmen, also die M&A-Aktivitäten. Zuletzt waren diese im Jahr 2007 – also kurz vor dem heftigen Einbruch – auf dem Niveau von heute. Was die Investmentbanker freut, sollte für alle anderen ein Warnsignal sein. Manager trauen sich erst nach einigen guten Jahren, andere Unternehmen zu kaufen und bekommen meistens erst am Ende der Aufwärtsbewegung grünes Licht von den Aufsichtsräten. Letztlich handelt es sich um eine Finanzarbitrage ohne unternehmerische Wertschöpfung. Angesichts der geringen Zinsen wirkt jeder Kauf eines Unternehmens positiv auf die Gewinne. Denn selbst die lahmsten Unternehmen erwirtschaften mehr Rendite als null.
  • Auf der Verkäuferseite stehen derweil die Manager von Private-Equity-Firmen. Diese sind für ihr gutes Markttiming bekannt. Zwar haben auch PE-Fonds 2007 an der Spitze noch gekauft, es überwiegen jedoch die positiven Beispiele. So ging Blackstone gerade rechtzeitig vor der Finanzkrise an die Börse. Bloomberg meldet, dass Private-Equity-Investoren alleine im zweiten Quartal dieses Jahres weltweit Anteile von 97 Firmen an den Markt gebracht haben – so viele wie noch nie zuvor. Ein klares Zeichen dafür, dass wir uns eher am oberen Ende der Bewertungen befinden.
  • Die Volatilität, also die Schwankung an den Märkten, ist zwar in den vergangenen Wochen mit der Zuspitzung der Krise in Athen gestiegen. Sie befindet sich aber immer noch auf einem historisch tiefen Niveau. Ein Zeichen für die Sorglosigkeit der Investoren, die bisher immer enttäuscht wurde. Steigt die Volatilität wieder an, dann wegen fallender Kurse, lehrt die Geschichte.

Wie mächtig sind die Notenbanken?

  • Dazu passt, dass die Märkte bei genauerem Hinsehen nicht so stark sind, wie die Indizes gerade in den USA es signalisieren. Immerhin notieren viele Aktien unter ihren Höchstständen und nur noch wenige Zugpferde ziehen den Markt. Unter Charttechnikern wird vor allem die Divergenz zwischen dem Dow Jones Industrial Index und dem Transportindex sehr kritisch betrachtet. Letzterer fällt schon seit Monaten. In der Vergangenheit war das ebenfalls ein Vorbote fallender Kurse.
  • Wie schon früher hört man immer öfter die gefährlichsten Worte in den Finanzmärkten: „This time it is different.“ Die Notenbanken stehen hinter uns, sollte es ein Problem geben, werden diese es mit erneuter Liquiditätsflutung schon lösen. Dabei gibt es gute Gründe, nach dem jüngsten Zinsanstieg an der Allmacht der Notenbanken zu zweifeln!

Einige der Argumente galten schon vor zwei Jahren, andere sind neu dazugekommen. Deutlich machen alle, dass wir uns eben an der Spitze des Berges befinden und es von dort aus eher nach unten geht, als nach oben. Doch wir wissen nicht, wann und von welchem Niveau aus. Wer jetzt alles auf eine Karte setzt, zum Beispiel indem er voll in Liquidität geht, kann damit Erfolg haben – oder auch nicht. Wie jene, die 2011 aus Angst vor dem unmittelbar bevorstehenden Kollaps voll auf Gold setzten und jetzt ihre Wunden lecken.

Richtig ist: Das Umfeld ist nicht gut. Hohe Schulden, ungelöste Konflikte, eine dysfunktionale Euro-Zone, haltlose Geldpolitik und überhöhte Assetpreise, wohin man schaut. Kein leichtes Umfeld für Anleger. Vor allem, weil niemand sagen kann, wie lange die Bewertungen auf diesem Niveau bleiben.

Doch nichts wiegt so schwer wie Verluste in einem Umfeld niedriger Renditen. Deshalb noch einmal die Warnung vor einseitigen Wetten, die zwar Chancen bieten – aber mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Verlusten führen. Konkret: Wer glaubt, jetzt mit voller Kraft in die korrigierten Märkte investieren zu müssen, holt sich ein großes Risiko ins Portfolio. Umgekehrt: Wer glaubt, mit hoher Liquidität die nächste Phase der Krise abwarten zu können, um dann billig zuzugreifen, mag zwar die richtige Strategie haben. Doch spätestens seit Zypern wissen wir, dass auch Liquidität keineswegs risikofrei ist. Deshalb lieber ein diszipliniertes und ausgewogenes Portfolio.

→ WiWo.de: „Warnsignale für die Märkte – die Profis steigen aus“, 9. Juli 2015

Kommentare (6) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Martin Holzer
    Martin Holzer sagte:

    Aktuell halte ich 50 % Cash. 7 % sind in Juniorgoldminen investiert.Diese sind jetzt extrem zurückgekommen und doch auch eine Alternative zu Gold – es gibt sogar etwas Dividende.Mit einem fast 90 % Anteil Kanada / Australien und USA ( bei meinem ETF ) befinden sich die Minen doch auch nicht in Krisenregionen?Die restlichen 43 % halte ich in Aktien von Nestle / Novartis ( in bin Schweizer ).

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    • OK
      OK sagte:

      Goldminen habe ich zuletzt auch gekauft. Der Leitindex der NYSE letzte Woche auf Zehn-Jahres-Tief, und auch deutlich niedriger als bei Auflegung Mitte der 90er (!) Jahre. Goldpreis seitdem vervielfacht. Sicher sind nicht alle Unternehmen in dem Bereich solide, und Minenaktien entsprechend volatil, aber so ein Missverhältnis ist trotzdem eklatant. “Downside risk” sollte überschaubar sein wenn die Branche künftig noch irgendeine Bedeutung hat.

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  2. OK
    OK sagte:

    Dann bin ich ja gar nicht in so einer schlechten Position – ich halte ziemlich viel Liquidität, aber das Risiko, gezypert zu werden, ist trotzdem gering, denn dafür ist es wieder zu WENIG!
    Ich bleibe jetzt in Summe neutral, selektiv auch mal long wenn sich klare Untertreibungen ergeben (z.B. Gazprom vor einigen Monaten), sammle ansonsten Cashreserven, und wenn die Kurse nochmal deutlich anziehen, dann geh ich zurückhaltend und marktbreit short.

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  3. paganus
    paganus sagte:

    “Doch nichts wiegt so schwer wie Verluste in einem Umfeld niedriger Renditen.”
    Welche Verluste meinen Sie: Buchverluste? Wenn die Kurse von Unilever, Nestlé, Colgate, Altria, GSK etc. kräftig fallen, so heißt das doch nicht zwangsläufig, dass auch die Dividenden in gleichem Maße fallen müssen. Auch in einer Krise wird geraucht, getrunken, der Hund gefüttert, gewohnt und der Bart geschoren, werden Tabletten genommen, Krankenhäuser aufgesucht. Und ist dann nicht ein Aussitzen der Krise sinnvoller als der Versuch des ‘Market Timing’?

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    • Daniel Stelter
      Daniel Stelter sagte:

      Wenn man in der Lage ist, solche Buchverluste auszusitzen, also nicht verkaufen muss, ist dies die beste Strategie im heutigen Umfeld. Wenn Sie Liquidität haben, können Sie auch nachkaufen. Timing ist – für mich zumindest – schwer …

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