“Suchen Sie Schutz vor Protektionismus und Handelskrieg!”

Dieser Kommentar erschien bei WirtschaftsWoche Online:

Noch überwiegt die Hoffnung. Doch, was wäre, wenn es wirklich zu einem Handelskrieg käme? Gewinner gäbe es keine. Der Verlierer steht hingegen fest: Deutschland und seine Aktionäre. Anleger sollten sich vorbereiten. 

Bislang ist es nur ein Säbelrasseln. Den Drohungen der neuen US-Regierung gegen Deutschland und China mit Blick auf die hohen Außenhandelsüberschüsse sind bisher noch keine Handlungen gefolgt. Die Börsen gehen fest davon aus, dass es auch so bleibt.

Dabei ist die Kritik nicht so ungerechtfertigt, wie es Medien, Politiker und Wirtschaftsvertreter hierzulande gerne darstellen. Natürlich liegt der Exporterfolg an der Qualität der hier erzeugten Güter und dem spezifisch deutschen Industriemix (Maschinen, Anlagen, Automobile), der eine entscheidende Rolle bei der Industrialisierung der Schwellenländer spielt. Natürlich ist es nicht die Schuld Deutschlands, dass der Euro so schwach ist, weshalb es ungerecht ist, uns diese Schwäche als unfairen Wettbewerbsvorteil vorzuwerfen. Umgekehrt können wir aber nicht leugnen, dass eine Deutsche Mark, so sie noch existierte, 20 bis 30 Prozent höher stünde und dass wir seit Einführung des Euro den Exportanteil am BIP auf über 40 Prozent fast verdoppelt haben.

Kapitalexport nicht in unserem Interesse

Ein Exportüberschuss von fast neun Prozent des BIP ist kein Zeichen der Stärke, sondern ein Alarmzeichen erster Güte. Diesen Exportüberschüssen steht nämlich zwangsläufig ein Nettokapitalexport in gleicher Höhe entgegen. Der Kapitalexport erfolgt durch Direktinvestitionen und zum überwiegenden Teil als Kreditvergabe ans Ausland. Angesichts der weltweiten Überschuldungssituation muss bezweifelt werden, dass diese Kredite in Zukunft vollumfänglich zurückgezahlt werden. Vielmehr drohen in der nächsten Krise, bei der nicht das „Ob“, sondern nur das „Wann“ offen ist, erhebliche Verluste, wie schon in der letzten Finanzkrise 2008.

Es wäre vernünftiger, weniger Kapital zu exportieren und mehr im Inland zu investieren und zu konsumieren. Der Investitionsrückstau der öffentlichen Hand ist kein statistisches Problem. Wir alle können die Folgen täglich beobachten – marode Schulen, gesperrte Brücken und Schlaglöcher in den Straßen. Doch nicht nur Reparaturen an der alten Infrastruktur sind dringend erforderlich, auch Investitionen in die Zukunft: Stichworte Breitbandnetz, Bildung und Forschung.

Eine Änderung der Politik wäre also nicht nur ein Weg, um die ausländischen Kritiker zu besänftigen, sondern auch in unserem eigenen Interesse. Neben staatlichen Ausgaben könnte dies über steuerliche Anreize für inländische Investitionen und eine Abgabenentlastung für kleine und mittlere Einkommen mit hoher Ausgabenneigung realisiert werden. Die Antwort aus Sicht der Anleger wäre auch klar: Unternehmen, die vom Binnenkonsum leben, wären ein klarer Kauf. Ebenso Infrastruktur- und Bauwerte. Diese finden sich nicht unbedingt am deutschen Markt, aber ein Blick über die Landesgrenzen hinaus ermöglicht den Kauf von Unternehmen, die erheblich von Investitionen hierzulande profitieren würden. Die österreichische Strabag ist ein gutes Beispiel hierfür.

Protektionismus träfe hart

Leider sieht es nicht danach aus, dass die Bundesregierung mit einer derartigen Kehrtwende ihren Kritikern den Wind aus den Segeln nimmt. Dabei ist die US-Regierung keineswegs allein. Sie ist bisher nur am lautesten. Der Widerstand gegen das deutsche Wirtschaftsmodell wächst auch in der EU und dürfte im Zuge eines an spannenden Wahlen nicht armen Jahres deutlich zunehmen. Eine protektionistische Politik würde Deutschland schwer beeinträchtigen.

Deutliches Warnsignal

Direkt getroffen wären die Exportunternehmen, gefolgt vom Rest der Wirtschaft in Folge von Arbeitslosigkeit und Multiplikatoreffekten. Bei der Suche nach Unternehmen mit geringem Auslandsanteil am Umsatz bin ich nicht wirklich fündig geworden: Neben Immobilienwerten wie Deutsche Wohnen und Gesundheitsdienstleistern wie Rhön-Klinikum sind das Unternehmen wie ProSiebenSat1 (ca. 85 Prozent), Fraport (82 Prozent) und RWE (56 Prozent). Nicht unbedingt eine Auswahl, mit der man im Protektionismus-Fall ungeschoren davonkommt.

Die Gewinner dürften vielmehr im Ausland zu finden sein. Die Entwicklung der US-Börse seit der Wahl Donald Trumps kann nur beschränkt als Indikation dienen. Neben den Bankwerten (die mit Blick auf Deregulierung und höhere Zinsen gestiegen sind und deshalb nicht für unsere Protektionismusbetrachtung  passen) waren das vor allem Unternehmen aus den Bereichen IT, Industriegüter, Konsumgüter und Gesundheit. Dies mehr in der Erwartung, dass die Steuererleichterungen für Unternehmen zu einer Repatriierung der im Ausland gebunkerten Milliarden führen (und damit zu mehr Aktienrückkäufen), zu höheren Erträgen pro Aktie und zu einem allgemeinen Wirtschaftsaufschwung. Die berühmte Reflation. Auch die US-Börsen spielen bisher nicht das Protektionismus-Szenario und wollen nur die positiven Aspekte der Politik Donald Trumps sehen.

Alle haben schon in Deutschland gekauft

Ein deutliches Warnsignal für die deutschen Märkte ist das Ergebnis der jüngsten Fondsmanager-Umfrage der Bank of America. Demnach planen fast 60 Prozent der Investoren, den deutschen Aktienmarkt auf Sicht von einem Jahr überzugewichten. Auf Platz zwei liegt in Europa Spanien mit rund 20 Prozent. Das Problem ist, dass die befragten Investoren schon entsprechend gehandelt haben dürften. Es sind also schon alle investiert, woher kommt da noch die weitere Nachfrage? Hinzu kommt, dass die Investoren auf eine Fortsetzung des Status-Quo setzen. Nur wer glaubt, dass das derzeitige Wirtschaftsmodell Deutschlands auch künftig funktioniert und akzeptiert ist, kann diesem Trend folgen.

Wer hingegen davon ausgeht, dass es zunehmend unter Druck kommt, muss die entsprechenden Konsequenzen ziehen: Deutschland untergewichten. Stattdessen sollte man eine Position in jenen Werten aufbauen, die von einem dann einsetzenden Konjunkturprogramm bei uns profitieren würden. Die Politik würde nämlich spätestens dann das machen, was sie ohnehin schon heute tun sollte.

Die ganz Mutigen ziehen eine weitere Lehre aus der Positionierung der Fondsmanager und kaufen in Frankreich und Italien ein. Märkte, die heute niemand mag, die aber von einer anderen Politik in Deutschland – ob nun freiwillig oder gedrängt – überproportional profitieren könnten.

→  WirtschaftsWoche.de: “Suchen Sie Schutz vor Protektionismus und Handelskrieg!”, 23. Februar 2017

Kommentare (4) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. A. Middendorf
    A. Middendorf sagte:

    „Es wäre vernünftiger, weniger Kapital zu exportieren und mehr im Inland zu investieren und zu konsumieren.“
    Das wäre m.E. doch nur dann richtig, soweit man die Inlandsinvestitionen über Vorleistungen oder Vorprodukte auch importieren kann.
    Falls man die Leistungsbilanzüberschüsse einfach im Inland ausgibt anstatt sie als Kapital ins Ausland zu exportieren (oder alternativ Gold oder Dollar-Devisen zu importieren), steigen die möglichen Verluste aus abzuschreibenden Target-Forderungen nur noch mehr. Deutschland muss schnell zu einer strukturell ausgeglichenen Zahlungsbilanz (nicht Leistungsbilanz) kommen, und das wird ohne massiven Kapitalexport oder (schwieriger umzusetzen) Goldimport kaum möglich sein, oder?

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  2. Wolfgang Selig
    Wolfgang Selig sagte:

    Ich bin kein Aktienspezialist, aber mit Immobilienwerten kenne ich mich wohl ausreichend aus. Ich denke nicht, dass Aktien wie die Deutsche Wohnen vor einem Handelskrieg schützen würden. Die Mieterschaft ist regelmäßig so zusammengesetzt, dass ein hoher Anteil der Bewohner bei exportorientierten Unternehmen arbeitet bzw. bei dessen inländischen Zulieferern. Ein massiver Exporteinbruch würde sofort steigende Mietausfälle sowie eine sinkende Nachfrage nach sich ziehen, im Extremfall auch sinkende Quadratmetermieten bzw. sinkendes Erhöhungspotential (das oft schon eingepreist ist). Als Alternative zu Exportaktien sind sie m.E. nur bedingt geeignet, wobei sie relativ gesehen im Vergleich zu Automobilherstellern oder Maschinenbauern dann wohl weniger schlecht performen würden.

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