“Eine Depression wie in den 30ern, nur langsamer”

Die WirtschaftsWoche berichtet von meinem Besuch im Wiwo-Club, wo ich mit WirtschaftsWoche-Redakteur Stefan Hajek und Lesern diskutiert habe:

“Der Gesprächsgast, Daniel Stelter, ist ehemaliger Top-Manager der Boston Consulting Group, Autor eines halben Dutzends Fachbücher zu Schulden- und Wirtschaftskrisen, Wirtschaftsblogger, Berater von Top-Managern und Investmentfonds in aller Welt sowie Gründer des Berliner Thinktanks Beyond The Obvious“.

2013 machte Stelter sich nach 23 Jahren bei Boston Consulting – zuletzt im globalen Top-Management – selbstständig; er ist einer der profiliertesten Analysten der Finanz- und Wirtschaftskrise und gefragter Experte in Anlageausschüssen, Chefetagen und in den Medien, von WirtschaftsWoche über den SPIEGEL bis zu ARD und ZDF. Für WiWo.de schreibt er eine wöchentliche Kolumne zu den drängendsten wirtschaftspolitischen Themen unserer Zeit.

Mit WiWo-Redakteur Stefan Hajek sprach er in Frankfurt vor Lesern über Gründe und Folgen des Wahlsieges von Donald Trump, die wirtschaftlichen Auswirkungen auf Deutschland als Exportland und auf Anleger, über die Zukunft des Euro und über Wege und Chancen für Anleger, ihr Vermögen zu erhalten. Im Anschluss an das knapp 50-minütige Interview stellte sich Stelter eine Stunde lang den zahlreichen Fragen der WirtschaftsWoche-Leser.

Seine Kernthesen lauten:

  • Die Wahlsiege Donald Trumps und der Brexit-Gegner passen ins Bild der Krise seit 2008: Populismus und Protektionismus sind für Stelter logische Folgen der Überschuldung von Staaten und Privatleuten in aller Welt: Die überbordenden Schulden hemmen das Wachstum und hindern den Staat an nötigen Investitionen; gleichzeitig versuchten viele Länder, allen voran in Europa unter dem prägenden Einfluss Deutschlands, sich aus der Krise herauszusparen. Dies sei der falsche Weg, wie sich in Griechenland eindeutig zeige.
  • Stelter erkennt deutliche Parallelen zu den 1930er-Jahren, nur hätten dieses Mal die Notenbanken und einige Staaten früher und konsequenter gegengesteuert mit Anleihekäufen, Zinssenkungen und Konjunkturprogrammen. Dadurch sei zunächst der Absturz verhindert worden, allerdings hätte die Politik mit der von den Notenbanken gekauften Zeit nicht gut gearbeitet und nötige Reformen verschleppt.
  • Wir erleben eine nicht minder schwere Depression wie in den 1930ern, nur in erheblich langsamerem Tempo. Weil wir inzwischen über wirksame Medikamente verfügen, die allerdings nur die Symptome lindern, nicht aber die Ursachen der Krankheit bekämpfen (Notenbankpolitik).
  • Die Krise von 2008 wurde mitnichten gelöst, sondern nur abgemildert und in die Länge gezogen. In der Tat sei die Verschuldung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung seit 2008  sogar weiter gewachsen. Richtig gemacht habe es einzig das kleine Island, das in der Krise Schulden gestrichen und staatliche Investitionen sogar ausgeweitet habe. Wenn nicht bald eine ernsthafte Bereinigung stattfinde, werde der Siegeszug von Politikern, die einfache, populistische Rezepte vertreten, weitergehen und stärker werden. Langfristig sind die Versprechen des Staates an seine älter werdenden Bürger (Renten, Pensionen, Krankenversicherung) ungedeckt und somit latent gefährdet.
  • Die junge Generation sei schon über Gebühr belastet und dürfe nicht noch weiter zugunsten der Älteren überlastet werden, sonst drohen gut qualifizierte abzuwandern.
  • Richtig wäre, alle Schulden jenseits des noch vertretbaren Ausmaßes (als Faustregel könnten 60 Prozent des BIP dienen, wie in den Maastricht-Kriterien festgelegt) – nicht nur der Staaten, sondern auch der Privatleute und Unternehmen – abgeschöpft und in einen Schuldentilgungsfonds zu übertragen. Darin sollten sie über eine sehr lange Zeit gestundet mit Steuergeldern getilgt werden. Dies sei aber politisch kaum durchsetzbar.
  • Stattdessen drohen unkontrollierte, chaotische Bereinigungsprozesse, etwa ein Auseinanderbrechen des Euro, Staats- und Unternehmenspleiten und ein weiteres Erstarken reaktionärer (USA, UK, Frankreich) oder linksradikaler Kräfte (Italien, Spanien).
  • Anleger werden mit hoher Wahrscheinlichkeit Geld verlieren. Aktien drohen kurzfristig Rückschläge, Immobilien können von den darbenden Staaten mit Zwangsabgaben belegt werden, Geldvermögen drohen durch weit über den Zinsen liegende Inflation sukzessive entwertet zu werden.
  • Donald Trumps Pläne bergen ein hohes Risiko des Scheiterns. Nach dem anfänglichen Trump-Jump werde bald Ernüchterung an den Börsen einkehren.
  • Anleger sollten diversifizieren, nicht nur auf verschiedene Assetklassen wie Qualitätsaktien, Geld, Immobilien, Gold, sondern auch international, so Stelter: „Wenn ich zehn Millionen Euro in zehn deutschen Immobilien hätte, würde ich mindestens vier davon verkaufen und international gemischt kaufen.
  • Generell sollten wir mehr in unsere Bildung und die unserer Kinder investieren, so Stelter: „Bringen Sie sich und ihre Kinder niemals in eine Situation, in der sie von einem Staat erpressbar sind. Sie müssen international mobil bleiben.“
  • Das vollständige Gespräch finden Sie hier als Audiomitschnitt(Dauer: ca. 100 Minuten, mp3-Format)

WiWo.de: “Eine Depression wie in den 30ern, nur langsamer”, 22. November 2016

Kommentare (20) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    @ Michael Stöcker

    >Wenn alle nach Ihrer vermeintlich rationalen Maxime handelten, dürfte keiner mehr Kinder in diese Welt setzen. Entstehung und Untergang, Leben und Tod bedingen einander. Absurd ist die Ablehnung des Lebens.>

    Rationale Maxime, Ablehnung des Lebens … ich weiß nicht, von was Sie reden.

    Mit mir hat das nichts zu tun.

    Ganz langsam, zum Mitbuchstabieren:

    Ich habe einen Mechanismus dargelegt, dem zufolge der Anpassungszwang in einer sich fundamental verändernden Welt (Megatrends) in der Öffentlichkeit nicht vermittelbar ist.

    Ich habe weiter gesagt, dass dies ein Teil der Wahrheit ist, also als Sachverhalt anzuerkennen sei.

    Zudem habe ich mit Blick auf Ihr Luther-Zitat gesagt, dass es absurd ist, mit diesen Einsichten den Dingen einen anderen Lauf zu geben, konkret: mit dem Pflanzen eines Apfelbäumchens in einer untergehenden Welt Leben schaffen zu wollen. Kurzum: Wenn Zielerreichung bekanntermaßen aussichtslos ist, dann ist es widersprüchlich, Zielerreichung zu wollen.

    Das hat nichts, aber überhaupt nichts damit zu tun, dass es Tausende guter Gründe gibt, sich aktiv handelnd ins Leben einzubringen.

    Oder habe ich Dr. Stelter empfohlen, dass er seine Analyse- und Aufklärungstätigkeit einstellen und Ihnen, dass Sie sich keine Gedanken mehr über das Helikoptergeld machen sollten? Und warum diskutiere ich denn hier mit – weil ich mit rationaler Maxime das Leben ablehne?

    Sie haben einfach verdrängt, was ich bezüglich Luthers AUCH zum Pflanzen des Apfelbäumchens gesagt habe:

    >Das ist in Ordnung, wenn er darin einen Sinn für SICH sieht, z. B. einen göttlichen Schöpfungsauftrag auf Erden zu erfüllen.>

    Individuelle SINNERFÜLLUNG ist etwas Wunderbares und wer das schafft, ist zu beneiden.

    Aber es ist etwas anderes als das Streben nach ZIELERREICHUNG, wenn diese nicht möglich ist.

    Ich wiederhole mich daher speziell an Sie gewandt:

    Sie müssen das ARGUMENT erkennen und auf es eingehen wollen statt mich MORALISCH abzuqualifizieren.

    Das heißt nun einmal, dass sich mit den begründeten Mechanismen, sei es die öffentlich nicht vermittelbare Anpassungsakzeptanz, sei es die Missbrauchsattraktivität von Helikoptergeld, auseinandersetzen müssen.

    Wenn Sie nicht nachweisen können, dass diese falsch sind, sollten Sie einfach nur Ihre EIGENE Einsicht akzeptieren:

    „Wir irren vorwärts“.

    Damit ist der ANSPRUCH auf Zielerreichung aus dem Spiel und die Voraussetzung geschaffen, sich widerspruchsfrei handelnd an die Bejahung des Lebens zu machen.

    Das ist doch was.

    Zu Wagenknecht:

    Wer, wie dokumentiert entgegen der Wahrheit so agiert und dabei auch noch diffamiert, hat jeden Anspruch auf intellektuelle Seriosität verspielt. Soll, wer will, bei Ihr nach Wahrheiten suchen. Ich muss mir das nicht antun.

    Antworten
    • Michael Stöcker
      Michael Stöcker sagte:

      „Ich habe einen Mechanismus dargelegt, dem zufolge der Anpassungszwang in einer sich fundamental verändernden Welt (Megatrends) in der Öffentlichkeit nicht vermittelbar ist.“

      Und ich habe mit dem Verweis auf Stépahne Hessel einen Gegen-Mechanismus dargelegt, dass dem nicht so sein muss.

      „Wenn Zielerreichung bekanntermaßen aussichtslos ist, dann ist es widersprüchlich, Zielerreichung zu wollen.“

      Bekanntermaßen? Das ist lediglich Ihr persönliches Bekenntnis oder aber Wissensanmaßung.

      „Sie müssen das ARGUMENT erkennen und auf es eingehen wollen statt mich MORALISCH abzuqualifizieren.“

      Wenn Sie das so empfunden haben: Das war nicht meine Absicht. Es ging mir um das Gegenargument, dass jeder von uns einen kleinen bescheidenen Beitrag leisten kann, das scheinbar Unvermeidliche doch zu vermeiden. Es ist immer die letzte Schneeflocke, die den Ast herabstürzen lässt; im Positiven wie im Negativen.

      „Damit ist der ANSPRUCH auf Zielerreichung aus dem Spiel und die Voraussetzung geschaffen, sich widerspruchsfrei handelnd an die Bejahung des Lebens zu machen.“

      Der Anspruch auf Zielerreichung war bei mir noch nie im Spiel, sehr wohl aber der Anspruch auf notwendige Voraussetzungen, damit wir in Europa gemeinsam weiter vorwärts irren können und nicht jeder für sich und gegen den anderen. Das widerspruchsfreie Handeln ist dann noch einmal eine ganz andere Geschichte; denn jeder von uns ist doch ein mehr oder weniger wandelnder Widerspruch.

      Insofern: Lassen Sie uns weiter vorwärts irren. Wenn Sie sich Wagenknecht nicht „antun“ wollen, dann ja vielleicht Stephen Roach, der das twin-deficit (Leistungsbilanzdefizit und Haushaltsdefizit) etwas näher untersucht, das in Koos Vortrag, den MFK verlinkt hatte, keine Rolle spielte: https://www.project-syndicate.org/commentary/achilles-heel-of-trumponomics-by-stephen-s–roach-2016-11

      LG Michael Stöcker

      Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        Hessels angeblicher Gegen-Mechanismus (Paraphrasierung):

        Man kann NICHT damit rechnen, dass ein Engagement gleich 90 % oder 50 % der Leute erreicht, aber wenn man mit 10% der Bevölkerung anfängt („Mutige“), die daran GLAUBEN, dass es möglich sei und sich dafür engagieren, dann WÄRE das schön für die Ausbreitung einer neuen Idee.

        Sein „Beweis“, dass der Impuls der 10% etwas bewegen kann und für Ausbreitung sorgt:

        Am Anfang von WK II haben sich in Frankreich nur 10% am Widerstand beteiligt, gegen Endes Kriegs waren es 90%.

        Hessel legt keinen Mechanismus dar, sondern er votiert für ein Handlungsmotiv, dass vom Glauben an Multiplikatoreffekte getragen wird.

        Sein Beweis ist völlig daneben. Denn die steigende Zahl derer, die sich am Widerstand beteiligt haben, hat sich nicht durch das Engagement der 10% erhöht, sondern durch die militärischen Erfolge der Alliierten.

        Bei allem Respekt vor einem Mann wie Hessel, was er sagt, ist zumindest im Kontext unserer Diskussion argumentativ WERTLOS.

        Es ist bezeichnend, dass Sie auf das Anbetungsformat eines Kultursenders zurückgreifen müssen, das mit aufgeblasenen Thematik (hier: „Sternstunde Philosophie“), Feuilleton-Weisheiten verbreitet.

        Sie verstehen das Argument nicht. Deshalb hier zum Mitdenken:

        Luther hat gesagt, dass er heute ein Apfelbäumchen auch dann pflanzen würde, wenn morgen die Welt unterginge. Bei der Beurteilung dieser Aussage MUSS man davon ausgehen, dass morgen die Welt untergeht. Luther geht davon aus. Denn Luther sagt nicht „ich pflanze heute ein Apfelbäumchen, auch wenn morgen VIELLEICHT die Welt untergehen könnte. Hätte er dies gesagt, würde die Aussage nicht das leisten, was sie nach Luther leisten soll. Das ist mit „bekanntermaßen“ gemeint. Bekanntermaßen heißt nicht, dass man sich nicht irren kann. Natürlich kann die Welt morgen nicht untergegangen sein. Und natürlich kann der Wirkmechanismus, den ich dargelegt habe, falsch sein.

        Dazu will ich aber eine empirisch belastbare Erklärung hören. Kommt die nicht, steht die Begründung dafür, dass der Anpassungszwang öffentlich nicht vermittelbar ist.

        Was die von Ihnen kritisierte Feststellung
        „Wenn Zielerreichung bekanntermaßen aussichtslos ist, dann ist es widersprüchlich, Zielerreichung zu wollen.“
        anlangt, hat das nichts mit einem persönlichen Bekenntnis zu tun, sondern mit WISSEN:

        Wenn es nach allem, was bekannt ist, aussichtslos ist, dass ich jemals den Mond betreten werde, dann ist es widersprüchlich den Mond betreten zu wollen.

        Daran gibt es nichts zu deuteln; dass hier ein Widerspruch vorliegt, IST Wissen.

        Allerdings gebe ich gern zu, dass es „weichere“ Ziele gibt, bei denen die Zielerreichung nicht aussichtslos ist. Dann kommt es auf den Wirkmechanismus an und darauf, was man damit verbindet. Der von mir dargelegte betrifft lediglich die ÖFFENTLICHE VERMITTLUNG des Anpassungszwangs. Er schließt nicht aus, dass es zwangsweise zu Anpassung kommt.

        >Der Anspruch auf Zielerreichung war bei mir noch nie im Spiel, sehr wohl aber der Anspruch auf notwendige Voraussetzungen, …>

        Na gut, wenn Sie es sagen, wird es wohl so sein.

        Aufgrund der Verve, mit der Sie sich für eine praktisch funktionsfähige Grundlage für den Einsatz von Helikoptergeld engagieren, war das allerdings anders zu sehen.

      • Michael Stöcker
        Michael Stöcker sagte:

        Sie sind ja mal wieder in Stimmung. Da Sie so gerne auf dem Luther-Zitat herumreiten; was hat er noch gleicht gesagt:

        „Und wenn ich wüsste…“ .Die Wahl des Konjunktiv II verweist auf eine gewisse Demut; denn er hat ja nicht gesagt: „Und wenn ich weiß…“

        Das soll es nun aber auch wirklich vom meiner Seite zu diesem Thema gewesen sein; denn jenseits feuilletonistischer Verbalonanie gibt es hier nichts weiter zu erkennen. Mir ging es einzig und allein darum, einen Weg aufzuzeigen, der keinen Anlass zu 100 Prozent Pessimismus geben muss. Wir haben als vernetzte Bürger eine ungeheure Macht, derer sich die meisten jedoch nicht bewusst sind.

        So, und nun lasse ich Ihnen gerne zu diesem Thema das letzte Wort; diese Diskussion hält mich nämlich von wichtigerem ab: Meine Kritik am Debitismus. Eventuell schaffe ich es ja bis morgen.

        Ihnen und allen anderen aktiven und passiven Lesern wünsche ich einen schönen ersten Advent.

        LG Michael Stöcker

    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      Einer ihrer ersten Sätze:

      „… als bevorzugten Partner hat sich die Kanzlerin ausgerechnet einen türkischen Diktator ausgesucht, der Journalisten und Oppositionelle ins Gefängnis werfen lässt und die Todesstrafe großartig findet.“

      Merkel hat sich AUSGESUCHT?

      Was für ein Käse und welche Unverfrorenheit, mit solchen Sätzen die Bühne des Deutschen Bundestags zu missbrauchen.

      Der türkische Diktator ist ihr AUFERZWUNGEN, um das, was die Menschen nicht wollen, nämlich einen unkontrollierbaren Zustrom von Asylsuchenden aus Syrien zu verhindern. Wenn er ein bevorzugter Partner ist, dann deshalb, weil nach Lage der Dinge nur er den Zustrom verhindern kann.

      Man muss nur auf eine Karte vom Mittelmeer schauen und sich das marode, hilflose Griechenland vor Augen führen, um diesen Sachverhalt als wahr zu verstehen.

      Kommen Sie mir nicht mit der Wagenknecht.

      Wer so mit seiner Intelligenz umgeht, hat Verachtung verdient.

      Daran ändert nichts, dass sie aus Versehen auch mal etwas Richtiges sagt.

      Antworten
      • Michael Stöcker
        Michael Stöcker sagte:

        Sie sollten den Blick und Ihre Einschätzung auf die gesamte Rede richten und nicht auf einen oder zwei Aspekte verengen. Bei Erdogan habe auch ich gestutzt und bin da ganz bei Ihrer Einschätzung. Ansonsten würde ich Ihren letzten Satz aber leicht umformulieren: Daran ändert nichts, dass sie aus Versehen oder absichtlich auch mal etwas Falsches sagt.

        LG Michael Stöcker

      • Rob
        Rob sagte:

        > Wer so mit seiner Intelligenz umgeht, hat Verachtung verdient.

        Wenn eine Zeit-Autorin dieses “Offenbar hat ja selbst noch ein Donald Trump wirtschaftspolitisch mehr drauf als Sie [Merkel]” von Wagenknecht als Entgleisung (was ich nicht so sehe) charakterisiert, ist obiges ganz sicher eine Entgleisung.

        Das Wagenknecht mal “aus Versehen” etwas Richtiges sagen soll, kommt mir wie eine Unverfrorenheit vor.

      • Horst
        Horst sagte:

        Evtl. hat sich die Kanzlerin den türkischen Despoten infolge eines kollektiven politischen Versagens in den vergangenen Jahren auch aufzwingen lassen.

        Unverfroren hingegen ist das Verhalten der Koalition, die aufgrund jahrelang antrainierter kognitiver Dissonanz die Augen verschließt. Diese Hybris wird der Demokratie eines Tages auf die Füße fallen. Schließen Sie den Kreis, Herr Tischer. Mit Ihrem Kommentar haben Sie beweisen, dass Sie aus Versehen auch einmal etwas Falsches sagen können. Ihre Kommentare schätze ich sonst sehr.

      • Rob
        Rob sagte:

        > Unverfroren hingegen ist das Verhalten der Koalition, die aufgrund jahrelang antrainierter kognitiver Dissonanz die Augen verschließt. Diese Hybris wird der Demokratie eines Tages auf die Füße fallen.

        Leider. So ist es. Ich habe mir die Rede Wagenknechts (Link weiter oben) in voller Länge angehört, und dabe beobachtet, wie die Kanzlerin ziemlich oft einfach in Ihre Unterlagen blättert. Die Kanzlerin!

  2. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    >Eine Depression wie in den 30ern, nur langsamer>

    „Nur langsamer“ IST eine andere Qualität und deshalb ist es NICHT eine Depression wie in den 30ern.

    M. A. n. ist damit die Chance verbunden, UNVERMEIDBARE Anpassung stattfinden zu lassen und diese zu akzeptieren.

    Heißt:

    Die Menschen in eine NEUE Normalität hineinwachsen und sich in ihr zurechtfinden zu lassen.

    Die Frage ist, was ist unvermeidbar und was kann gestaltend vermieden werden.

    Darauf gibt es m. A. n. keine definitive Antwort.

    Unvermeidbar sind Anpassungen aufgrund der willkürlich nicht zu eliminierenden Megatrends (Demografie, Globalisierung, Digitalisierung, Verstädterung, Klimawandel etc.)

    Gestaltbar sind allerdings die Ausprägungen und z. T. auch die Lasten der Anpassungen vor allem auch mit Blick auf die internationalen Abhängigkeiten.

    Darum müsste es gehen in der gesellschaftlichen Debatte und in der politischen Auseinandersetzung.

    Geht es aber nicht, weil das Unvermeidbare, der Anpassungszwang NICHT vermittelbar ist.

    In der öffentlichen Diskussion, der ich auch Veranstaltungen wie die im Wirtschaftswoche Club zurechne und in denen der Istzustand DURCHWEG nur an der besseren Vergangenheit bzw. den negativen Veränderungen bezüglich der Vergangenheit gemessen wird, fehlt jegliche Grundlage für eine derartige Vermittlung. Die Analyse, auch die schonungslos richtige Analyse der fundamental bestimmenden Wirkmechanismen, kann daher nicht die Vermittlung sein, die Anpassungszwänge einsichtig werden lässt. Denn sie generiert bei den Betroffenen – notwendigerweise und deshalb nicht zu kritisieren – Bedrohungs- und Ohnmächtigkeitsszenarien, die den Ruf nach SCHULDIGEN laut werden lässt, weil ja, ganz richtig, immer jemand Verantwortung fürs Geschehen hat.

    Das ist der FATALE Mechanismus, der zu Populismus und Protektionismus führt und die Situation für viele der Betroffenen verschlechtert.

    Ich sehe keinen Weg, ihn zu verhindern, würde mir aber wünschen, dass vor allem die Wissenschaft die Realität (Megatrends) insoweit anerkennt, dass sie auf Heilungsversprechen verzichtet, auch wenn sie sich damit unbeliebt macht. Offensichtlich kann man das aber im Wettbewerb um Prestige und Bedeutung in dieser Branche nicht erwarten.

    „Freie“, d. h. unabhängige Analytiker, die wie Sie, Dr. Stelter, meinem Eindruck nach nicht unbedingt materielle oder statusbezogene Anerkennung erlangen müssen und möglicherweise auch nicht erlangen wollen, könnten den ERFOLG Ihrer eigenen Bemühungen durchaus etwas mehr in Frage stellen etwa mit einem Schlusswort wie folgt an Ihr Publikum:

    Ich habe versucht, Ihnen Einsichten zu vermitteln. Selbst wenn Sie diese annehmen und zu den ihren machen, sollten Sie sich bewusst sein: Es ändert sich damit nichts. Der dominierende gesellschaftliche Konsens misst an der Vergangenheit und will damit nicht akzeptieren, dass diese nicht der Maßstab sein kann angesichts grundlegend determinierender Megatrends, die realistischerweise keine Fortschreibung erlauben. Damit werden in der Öffentlichkeit sich dauerhaft verfestigende Verlustszenarien gezeichnet, die großes destabilisierendes Potenzial haben. Wir können keine Prognosen abgeben, aber es besteht nach dem, was zu beobachten ist, kein Anlass, optimistisch in die Zukunft zu schauen.

    Dr. Stelter, Sie müssen meine Auffassung zur gesellschaftlichen Vermittlung von Einsichten natürlich nicht teilen. Sie wäre aber konsistent mit dem, was Sie über das Ökonomische hinaus als Entwicklungstendenzen darlegen.

    Antworten
    • Michael Stöcker
      Michael Stöcker sagte:

      „Die Menschen in eine NEUE Normalität hineinwachsen und sich in ihr zurechtfinden zu lassen.“

      Wir haben die sittliche Verantwortung, diese neue Normalität aktiv mitzugestalten. Dazu brauchen wir aber alle mehr Mut zur Wahrheit und Führungsstärke und weniger sich selbst erfüllende Prophezeiungen:

      „Wir können keine Prognosen abgeben, aber es besteht nach dem, was zu beobachten ist, kein Anlass, optimistisch in die Zukunft zu schauen.“

      Da lob ich mir doch Luther: „Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht; ich würde heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“

      Uwe Jean Heuser hat hierzu seinen konstruktiven Beitrag geleistet: http://www.zeit.de/2016/49/angela-merkel-kandidatur-vorschlag-rede

      Ich wünsche mir auch hier an diesem Blog mehr konstruktive Vorschläge und weniger krämerisch-fatalistische Schwarzmalerei: Statt TANSTAAFL (there ain’t no such thing as a free lunch) TANSTATINA (there ain’t no such thing as there ist no alternative).

      Nicht, dass Sie mich falsch verstehen, Herr Tischer: Ihre kritischen Analysen und Hinterfragungen sind oft Gold wert und legen den Finger auch immer wieder in eine klaffende Wunde. Das ist wohl auch das Erfolgsrezept von Dalio: radical truth and radical transparancy: https://www.bridgewater.com/.

      Sie, liebe Anna, haben Ihren Pfadfinder-Beitrag heute schon geleistet: „»Gemeinsam« können wir sie beide lösen.“ Ich teile die Einschätzung von Harald Fuhr in Gänze. Wir müssen „nur“ unsere sozialen Netzwerke selber aktivieren. Das geht unglaublich schnell; denn das 6-Ecken-Phänomen ist mittlerweile auf 3,5 geschrumpft: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/facebook-jeder-kennt-jeden-ueber-3-5-ecken-a-1075794.html.

      Und wie Fuhr ganz richtig schreibt: „Trotzdem sehe ich in allen 3 vorgeschlagenen Maßnahmen interessante Potenziale.“ Und etwas weiter schreibt er: „Auch könnte man sich einen gezielten Einsatz von »Helicopter Money« für derartige Transformationen vorstellen.“

      So ist es: QE4P, um die Kosten gerecht zu verteilen und bei der Finanzierung dieser Investitionen Art. 123 AEUV nicht zu verletzen, gestaffelte Erhöhung der CO2-Steuern über die kommenden 20 Jahre und zusätzliche Finanzierung über höhere Grenz- und Erbschaftssteuersätze. Wer es noch nicht gelesen haben sollte, hier noch einmal der Link zu den 14 Gründen für ein zentralbankfinanziertes Bürgergeld: https://zinsfehler.com/2016/09/25/ein-geldpolitisches-manifest-fuer-europa/.

      Je schneller wir unsere Energie- und Rohstoffwirtschaft umgebaut haben, desto schneller werden auch die Kriege um Rohstoffe enden.

      LG Michael Stöcker

      Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        >Wir haben die sittliche Verantwortung, diese neue Normalität aktiv mitzugestalten. Dazu brauchen wir aber alle mehr Mut zur Wahrheit und Führungsstärke und weniger sich selbst erfüllende Prophezeiungen:
        „Wir können keine Prognosen abgeben, aber es besteht nach dem, was zu beobachten ist, kein Anlass, optimistisch in die Zukunft zu schauen.“>

        Ich lasse das mal mit der sittlichen Verantwortung dahingestellt. Das ist noch einmal ein ganz anderes Thema.

        Ihre Alternative zwischen Mut zur Wahrheit und Führungsstärke vs. sich selbst erfüllende Prophezeiungen ist keine, die Dinge zum Besseren zu wenden.

        Denn darin steckt der Ansatz, dass man nur Mut zur Wahrheit brauche und die Führungsstärke, daraus gewonnene Erkenntnisse umzusetzen, um die Dinge ins Lot zu bringen. Die Erkenntnis von Wirkmechanismen, die Einsichten und Anpassung verhindern, gehört aber AUCH zur Wahrheit. Sie können derartige Wahrheiten nicht abqualifizieren als „sich selbst erfüllende (negative) Prophezeiungen“, weil sie die UMSETZUNG von Lösungswahrheiten verhindern.

        Mal abgesehen davon, dass das mit der Wahrheit nicht immer ganz einfach ist, beschreibt Ihr Verständnis, was Trump geradezu prototypisch vorexerziert: Er hat eine Wahrheit, die zudem noch von vielen geteilt wird, und versucht sie umzusetzen.

        Damit sind wir wie von Ihnen zitiert bei Luther:

        „Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht; ich würde heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“

        Das ist in Ordnung, wenn er darin einen Sinn für SICH sieht, z. B. einen göttlichen Schöpfungsauftrag auf Erden zu erfüllen. Bezüglich des Apfelbäumchens in einer untergehenden Welt ist dies eine ABSURDE Zielsetzung. Denn Luther vergrößert mit dem Pflanzen des Apfelbäumchen WISSENTLICH das Untergangspotenzial, weil dieses seiner Erkenntnis nach ja mit untergeht.

        Damit sind wir in schwierigem Fahrwasser.

        A. Camus hat die Problematik in seinem Essay „Der Mythos des Sisyphos“ thematisiert. Wir erinnern uns: Sisyhos musste mit dem Wissen fortwährenden SCHEITERNS immer wieder einen Felsen auf den Berg wuchten – es schaffend, aber nicht verhindern könnend, dass der Fels den Berg hinunterrollt und er die Anstrengung wiederholen müsse. Und das nicht nur ein Leben lang, sondern – die Griechen waren ungeheuerlich – ausweglos bis in alle Ewigkeit.

        Camus sagt dazu, dass man sich den Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen müsse und zwar deshalb, weil er die Absurdität seiner Situation AKZEPTIERT.

        Ich halte diese Deutung für genauso ungeheuerlich wie die Aufgabe des Sisyphos; der Marxist Sartre hat nicht umsonst deshalb dagegen gewütet.

        Ich habe aber keine bessere.

      • Michael Stöcker
        Michael Stöcker sagte:

        „Denn darin steckt der Ansatz, dass man nur Mut zur Wahrheit brauche und die Führungsstärke, daraus gewonnene Erkenntnisse umzusetzen, um die Dinge ins Lot zu bringen.“

        Jeder von uns kann seinen kleinen Beitrag dazu leisten, dass „die Dinge“ wieder mehr ins Lot geraten: https://www.youtube.com/watch?v=IBOu6RxcLQw. Wer nicht so viel Zeit hat: Ab Minute 53 gibt es die in unserem Kontext zentrale Aussage von Stépahne Hessel.

        LG Michael Stöcker

      • Michael Stöcker
        Michael Stöcker sagte:

        „Bezüglich des Apfelbäumchens in einer untergehenden Welt ist dies eine ABSURDE Zielsetzung. Denn Luther vergrößert mit dem Pflanzen des Apfelbäumchen WISSENTLICH das Untergangspotenzial, weil dieses seiner Erkenntnis nach ja mit untergeht.“

        Wenn alle nach Ihrer vermeintlich rationalen Maxime handelten, dürfte keiner mehr Kinder in diese Welt setzen. Entstehung und Untergang, Leben und Tod bedingen einander. Absurd ist die Ablehnung des Lebens.

        Und wenn der Baum auch nur einen Tag gelebt hätte, dann wäre es EIN Tag gewesen. Und dieser Akt des Pflanzens ist eine Bejahung des Lebens und eine gleichzeitige Akzeptanz des Todes. Aus diesem antagonistischen Dualismus gibt es keinen nihilistischen Ausweg.

        LG Michael Stöcker

      • Rob
        Rob sagte:

        So ist es, die Hofffnung stirbt zuletzt, und das hat Luther für sich nicht nicht als “letztes Wort” annehmen wollen; daher das starke Zeichen des Apfelbaumes!
        Gewiss, es gibt genug Gründe, fatalistisch zu sein. Wer aber nicht anpackt, hat schon verloren; wer aber anpackt, darf aber auch hoffen, dass irgendeiner aus den vielen, die mit anpacken – jede(r) auf ihre/seine Weise – eine Wirkung entfaltet wie der sprichwörtliche Schmetterling, der mit einem Flügelschlag einen Sturm entfacht. Das ist die Hoffnung der Chaostheorie. Und eine solche ist berechtigt.

    • WiMi
      WiMi sagte:

      Das interessiert mich auch. Auf uns, aber vor allem auf unsere Kinder, werden enorme Kosten zukommen.
      Sobald der Klimawandel richtig fahrt aufnimmt, werden enorme Kosten zur Bekämpfung der Symptome verursacht.
      Wollten wir das verhindern so müssten wir jetzt reagieren und die Kosten der Dekarbonisierung der Wirtschaft tragen. Machen wir uns nichts vor, das wird teuer. Eine komplette Dekarbonisierung ist mit heutiger Technologie schon möglich. Es will sie nur keiner bezahlen.

      Die große Frage ist, wie die Kosten verteilt werden. Ein Absenken des gewohnten Lebensstandards (weniger tierische Produkte, weniger Fernreisen, höhere Energiekosten) der westlichen Gesellschaft ist eigentlich unausweichlich.
      Damit halte ich das erreichen eines 2°-Ziels ebenso realistisch wie eine Bereinigung der Schulden in einem geordneten Prozess.
      Andererseits könnte man, wie im obigen Artikel angesprochen, den Anlass nutzen massiv in erneuerbare Energien zu investieren und das vom Staat bzw. mit Helikoptergeld bezahlen zu lassen. Die steigenden Energiepreise würden der Deflation entgegen wirken.

      Ich bin gespannt auf die Meinung von Herrn Stelter bezüglich des Klimawandels und der damit verbundenen Kosten.

      Antworten

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