„Die Welt­wirtschaft hat sich auf­gehängt – so funktio­niert der globale Neustart“

Dieser Kommentar erschien bei manager magazin online:

Was kommt früher? Der deflationäre Crash unseres globalen Schuldenturms oder die inflationäre Geldentwertung? Statt noch auf Jahre in der wirtschaftlichen Eiszeit gefangen zu bleiben, spricht viel für einen globalen Neustart. So könnte er funktionieren.

Die westliche Welt befindet sich in einem gigantischen Ponzi-Schema . In den dreißig Jahren bis zum Ausbruch der Finanzkrise hat sich die Verschuldung der westlichen Welt mehr als verdoppelt. Laut Bank für Internationalen Zahlungsausgleich stieg die reale Verschuldung der Nicht-Finanz-Unternehmen um den Faktor drei, die der Staaten um den Faktor vier und jene der privaten Haushalte um den Faktor sechs.

Seit 2008 hat sich der Trend dank tiefer Zinsen und aktiver Geldpolitik weiter beschleunigt. Laut McKinsey wachsen die Schulden von Staaten (9,3 Prozent per anno), privaten Haushalten (2,8 Prozent) und Nicht-Finanzunternehmen (5,9 Prozent) seit 2007 weltweit weiterhin drastisch und immer noch schneller als die Wirtschaft.

Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig: Politiker, die fundamentale Probleme lieber mit neuen Schulden verdecken, als echte Reformen durchzuführen. Notenbanken, die bei jeder Krise die Zinsen zwar senken, sie danach jedoch nicht mehr erhöhen. Ein Bankensystem, welches ungebremst Schulden und damit Geld produzieren kann.

Während das Volumen an Ausleihungen für produktive Zwecke, also Investitionen, seit Jahren relativ zum Bruttoinlandsprodukt stagniert, haben sich die Ausleihungen für Konsum und Spekulation vervielfacht. Immer mehr Kredite dienen dazu, vorhandene Vermögenswerte wie Immobilien zu immer höheren Preisen zu kaufen.

Je höher das System geleveraged, also verschuldet ist, desto geringer der realwirtschaftliche Impuls neuer Schulden. Immer mehr Schulden dienen nur noch dazu, die Illusion der Bedienung der vorhandenen Schulden aufrechtzuerhalten. Die Verschuldungskapazität ist zunehmend ausgeschöpft. Die faulen Schulden und die Fehlinvestitionen drücken das Wirtschaftswachstum und führen zu deflationärem Druck. Im ganzen System wimmelt es von Zombies: Banken und Unternehmen, die nur noch mit Tiefstzinsen am Leben gehalten werden.

Unser Ponzi-Schema ist am Ende

Damit nähert sich der Endpunkt unseres Ponzi-Schemas. Die Schulden sind völlig außer Kontrolle geraten, während die Realwirtschaft in einer Eiszeit verharrt – nicht zufällig der Titel meines neuen Buches.

Welche Lösung gibt es für das Problem der Überschuldung? Letztlich sind die Optionen überschaubar:

  • Am rationalsten wäre ein geordneter Schuldenschnitt, der mit entsprechender Besteuerung und Vermögensabgaben einhergehen müsste. Schließlich stehen den Schulden entsprechende Vermögenswerte gegenüber. Dieses Vorgehen wäre am effizientesten und würde den Schaden in Grenzen halten. Ich selbst habe dies bereits 2011 in die Diskussion gebracht. Mittlerweile findet es auch anderswo Unterstützung, so zum Beispiel bei McKinsey.
  • Da Schuldenschnitte und Besteuerung nicht populär sind, setzt die Politik auf die klassische Lösung: die Entwertung der Schulden durch Inflation. Doch wenn Inflation leicht zu erzeugen wäre, hätten wir sie längst. Es zeigt sich aber, dass die Geldpolitik im Umfeld von Überschuldung nicht wirkt. Zu stark ist der deflationäre Druck von faulen Schulden und Überkapazitäten. Nicht zufällig diskutieren wir heute Helikopter-Geld und Bargeldverbot als nächste verzweifelte Versuche, Inflation anzuheizen.
  • Gelingt es nicht Inflation zu erzeugen, drohen Pleiten und Chaos. Auslöser dafür könnte eine Welle von Bankpleiten sein, die im Zuge der neuen Bail-in Regeln für eine Panik unter den Gläubigern sorgen. Realistischer ist jedoch eine politische Radikalisierung, die dazu führt, dass beispielsweise in Italien oder Frankreich eine Euro-kritische Regierung an die Macht kommt, die in Austritt und Schuldenschnitt eine Lösung für die ökonomische Misere sieht. Das Ergebnis wäre eine tiefe Rezession, die durchaus so schlimm werden könnte wie die deflationäre Depression der 1930er-Jahre.

Weil die Politik sich nicht traut, unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen, um die Überschuldungssituation zu entschärfen, fällt die Weltwirtschaft immer mehr in die Eiszeit. Schwaches Wachstum, steigende Schulden, zunehmende Volatilität an den Märkten und immer verzweifeltere Maßnahmen der Notenbanken.

Mittelfristig laufen wir auf zwei Szenarien zu: Chaos und Depression oder massive Inflation. Je länger es nicht gelingt, die Inflation zu erzeugen, desto größer ist die Gefahr eines Unfalls. An den Finanzmärkten schwindet bereits der Glaube an die Allmacht der Notenbanken.

Globaler Reset

Dabei ist die Überschuldung keineswegs nur ein Problem von Europa. Es ist fast schon ein weltweites Problem. Allen voran Japan, wo nach fast dreißig Jahren Eiszeit die Monetarisierung der Schulden über die Notenbankbilanz bevorsteht . Doch auch die USA, Kanada, Australien, weite Teile Südamerikas und China leiden unter zu hohen Schulden.

Helikopter-Geld und weitere drastische Maßnahmen werden nur verzögert kommen. Zugleich verfestigt sich die Eiszeit immer mehr. Wohin man auch blickt: Die Welt braucht einen Schuldenschnitt. Wie beim Computer der sich aufgehängt hat, brauchen wir einen Neustart. Idealerweise machen wir den gleich weltweit.

Gerüchteweise sollen sich die G20 bei ihrem letzten Treffen auf eine Waffenruhe im globalen Währungskrieg verständigt haben. Dies ist ein ermutigendes Zeichen, weil eine Fortsetzung von einseitigen Abwertungen den Weg geebnet hätte für Chaos und tiefe Krise. Besser wäre es, die G20 verständigten sich auf eine gemeinsame Lösung der Schuldenkrise. Möglich wäre es, allerdings auch gewagt.

Die Notenbanken sind in der Bewertung ihrer Aktiva weitgehend frei. Mit selbst geschaffenem Geld, welches sie unbegrenzt herstellen können, können die Notenbanken alles kaufen was sie wollen, egal zu welchem Preis. Idealerweise ein Gut, welches einen dauerhaften Wert hat und nicht verfällt. So könnten die Notenbanken Öl kaufen und einlagern. Angesichts der weltweiten Ölvorräte und der Lagerkosten keine effiziente Idee. Besser wäre es ein homogenes Gut zu nehmen, welches zudem nur begrenzt verfügbar und leicht zu lagern ist. Wie beispielsweise Gold.

Praktischerweise halten viele Notenbanken trotz der Verkäufe der letzten Jahrzehnte noch einige Goldvorräte. Länder wie Russland und China haben sie sogar noch deutlich erhöht. Die Notenbanken könnten über Nacht erklären, alles Gold der Welt zu einem bestimmten Preis aufzukaufen. Damit würde auch das Gold in den Bilanzen der Notenbanken auf einen Schlag wertvoller. Den dadurch entstehenden Gewinn könnten die Notenbanken umgehend an die Anteilseigner, also die Staaten, ausschütten.

Nehmen wir vereinfacht an, die Notenbanken der Welt würden ihren Goldbestand um 10.000 US-Dollar pro Unze aufwerten. Basierend auf den Goldbeständen von März 2016 ergäben sich dann folgende einmalige Aufwertungsgewinne der Notenbanken (überschlägig und gerundet):

· USA: 2615 Milliarden Dollar

· Deutschland: 1087 Milliarden Dollar

· Italien: 788 Milliarden Dollar

· Frankreich: 783 Milliarden Dollar

· Griechenland: 36 Milliarden Dollar

Das Erschreckende ist, dass es allerdings mit einer Aufwertung um 10.000 Dollar nicht getan wäre. Zu groß ist die Schuldenlast. Um die Staatsschulden der USA auf einen Schlag zu tilgen, bräuchte es eine Aufwertung der Goldbestände um 70.000 US-Dollar pro Unze. Für Italien und Frankreich genügten 25.000 US-Dollar um alle Schulden zu tilgen, während Deutschland schon bei 18.000 US-Dollar alle Staatsschulden los wäre. Griechenland könnte erst bei einer Aufwertung um 80.000 US-Dollar je Unze alle Schulden tilgen, bei 40.000 wäre immerhin schon fast eine Halbierung drin. Japan besitzt hingegen eindeutig zu wenig Gold relativ zur Staatsverschuldung, um seine Probleme auf diesen Weg zu lösen. Immerhin müsste der Goldwert um rund 410.000 US-Dollar steigen, damit der Aufwertungsgewinn genügt die Staatsschulden zu tilgen.

Entwertung aller Schulden

Die Befürworter von Helikoptergeld wollen die Nachfrage stärken und die Inflationsraten nach oben treiben. Beides mit dem Ziel, die Eiszeit zu überwinden und die Schulden real zu entwerten. Mit einer konzertierten Aktion der G20 – vielleicht im nächsten Jahr in Deutschland beschlossen und verkündet – könnte dieser Prozess beschleunigt werden. Die Aufwertung von Gold und die Ausschüttung des dabei entstehenden Notenbankgewinns an die Staaten zwecks sofortiger Schuldentilgung dürften diesen Effekt haben: Die Schulden der Staaten wären massiv gesenkt, die Inflationsrate dürfte deutlich anziehen und eine Entwertung der ebenfalls sehr hohen privaten Schulden bewirken. Die Grundlage für eine nachhaltige Erholung der Wirtschaft wäre gelegt. Natürlich müssten danach grundlegende Reformen eingeleitet werden, um das Wachstum zu stärken und eine Wiederholung der Schuldenorgie zu verhindern.

Nicht wenige Leser werden denken, dass es sich um eine völlig verrückte Überlegung handelt. Vermutlich dachten sie das auch, als ich 2014 an dieser Stelle erstmals vorhergesagt habe, dass Helikopter-Geld das nächste große Thema wird. Mittlerweile ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die ersten Helikopter starten.

Sobald klar wird, dass uns auch Helikopter-Geld nicht aus der Eiszeit befreit, wird nach weiterer Munition gesucht werden. Was liegt näher als die Neubewertung von Gold über Nacht?

→ manager-magazin.de: „Die Weltwirtschaft hat sich aufgehängt – so funktioniert der globale Neustart“, 24. April 2016

Kommentare (19) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Martin Duchscherer
    Martin Duchscherer sagte:

    Die scheinbare (?) Lösung, durch eine Neubewertung von Goldreserven Schulden tilgen zu können und eine Art Neustart zu ermöglichen ist nicht neu. Bereits vor Jahren hat Paul C. Martin einen entsprechenden Ansatz publiziert.

    Was wäre die Wirkung? Unterstellt man, dass die Goldreserven Aktiva der Notenbank sind, so kann diese durch eine Neubewertung Einmalgewinne erzielen, die sie entweder an den Staat ausschütten kann oder aber nutzen kann, um die eigene Überschuldung bei notwendigen Abschreibungen auf Forderungen zu vermeiden.

    Realwirtschaftlich bleibt es sich aber gleich, ob die Notenbank mit einem negativen Eigenkapital lebt, oder ob sie ihre Bilanz durch Neubewertungen von Aktiva aufpoliert. Liquide ist und bleibt sie in jedem Fall. Und bestehende “lästige” Vorgaben, dass der Staat Notenbankverluste auszugleichen hat, können jederzeit per Gesetzgebung aufgehoben oder aufgeschoben werden.

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  2. Rob
    Rob sagte:

    Irgendwie drängt sich die Parallele mit dem Windows Betriebssystem auf, zumindest aus weniger stabilen Zeiten. Nur dass der Windows-Neustart beim Aufhängen kein bisschen das Systemverhalten verbessert (aufgeblähte Registries und sonstige “Belastungen”, die das System träge machen, bleiben da).

    Übertragen auf die globale Wirtschaft bietet es sich an, die Frage zu stelllen: Neuinstallation (frisches System) oder Reset (nur Arbeitsspeicherbelastungen beseitigt)? Entscheidend natürlich: Systemupdate, damit es stabiler wird.

    In sofern knüpfe ich an die Fragestellung von Marc B. an:
    “Würde es nicht so passieren, dass die Menschen davon ausgehen, dass Sie sich nach diesem Reset erneut exzessiv verschulden können, da das ein oder andere Asset sie am Ende (nach einem nächsten Reset in 30 Jahren) erneut empor heben wird?”

    Kleiner Trost dabei: auch wenn die Finanzwirtschaft einen Reset erlebt: Der Computer bleibt (sprich Realassets), siehe auch http://www.economics-ejournal.org/economics/discussionpapers/2009-52, Conclusion S. 23:
    “The real consequences of the illusion, the machines, the houses and the infrastructure, however remains after financial meltdowns, and has so far secured a long term trend of positive growth.”

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    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      >„Würde es nicht so passieren, dass die Menschen davon ausgehen, dass Sie sich nach diesem Reset erneut exzessiv verschulden können, da das ein oder andere Asset sie am Ende (nach einem nächsten Reset in 30 Jahren) erneut empor heben wird?“>

      Die Diskussionen an diesem und anderen Blogs sind Versuche, vom Verständnis der Krise ausgehend KONTROLLIERT zu einem Reset zu kommen.

      Bezogen auf die Analogie Windows heißt dies im Sinne einer Fehlermeldung:

      Der PC ist in einer kritischen Situation. Sichern Sie Ihre Daten bevor Sie sich an einen Neustart wagen.

      Das Problem ist, dass wir in unserem System anders als beim PC kein Back up haben machen können.

      Heißt:

      Vor dem Reset kommt es zu Verlusten, im Extremfall zu einem Crash – UNVERMEIDBAR.

      Insofern:

      Die Analogie ist irreführend.

      Niemand will Verluste oder einen Crash, weil dann nichts mehr KONTROLLIERT werden kann.

      Ein System aber, das so labil gehalten wird wie unseres, wird TROTZ aller Bemühungen es nicht zu Verlusten oder einem Crash kommen zu lassen, irgendwann bei Verlusten oder einem Crash enden. Denn der labile Zustand ist mit Wohlstandsverlusten verbunden zu dem, was gestern war (Ansprüche) und dem, wie sich andere entwickeln (abnehmender relativer Wohlstand).

      Diesen Zustand werden wir m. A. n. UNKONTROLLIERT erreichen.

      Was DANACH passiert, ist nicht zu vorauszusehen.

      Auch wenn noch alles steht (Häuser, Maschinen, Infrastruktur etc.) kann sich daraus ein neues System entwickeln nach der Motto „das Ganze noch einmal“ – der klassische Reset nachdem des normal weitergeht – oder etwas ganz anderes, das wir so nicht kennen.

      Der PC wird auf jeden Fall „auferstehen“ – aber möglicherweise aus heutiger Sicht „spinnen“, d. h. nach den Maßstäben rationaler Wohlstandsgenerierung UNBRAUCHBAR sein.

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      • Rob
        Rob sagte:

        “Niemand will Verluste oder einen Crash, weil dann nichts mehr KONTROLLIERT werden kann.”

        Das ist ziemlich genau das Dilemma von Politik: wenn man einen kontrollierten Reset herbeiführen will, kommt man nicht umhin, unangenehme Wahrheiten zu sagen. Das ist übrigens eine grundsätzliche Schwäche der demokratischen Staatsform. Gerade deshalb kommt es sehr auf eine nachvollziehbare Erklärung von Politikabsichten an. Daran hapert es sehr, sehr oft. Merkelsche Sätze wie etwa “alternativlos” zeigen nur ihre Hilfslosigkeit an (oder unzureichender Unkenntnis von Zusammenhängen?).

        Ich bin sicher, wenn man der Bevölkerung einfache saldenmechanische Prinzipien mit den Paradoxeffekten vermittelt (eine Aufgabe von Politikern, die unangenehme Wahrheiten verkünden müssen!) wäre die Hälfte schon gewonnen, in dem Sinne, dass die Angst um eine Abstrafung bei den nächsten Wahlen genommen werden dürfte. Und das mit der Saldenmechanik ist nun wirklich nicht schwierig, ähnlich wie etwa beim Gesetz der Erhalt der Energie.
        Klar ist natürlich, dass aus der Saldenmechanik keine Handlungszwänge abgeleitet werden können, sehr wohl jedoch Handlungsempfehlungen für Regierungen, gerade weil Regierungen auf einer Ebene nahe zu “geschlossener Volkswirtschaft” operieren.

  3. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    Hier meine Kritik.

    Sie betrifft die folgende Textstelle:

    >Die Aufwertung von Gold und die Ausschüttung des dabei entstehenden Notenbankgewinns an die Staaten zwecks sofortiger Schuldentilgung dürften diesen Effekt haben: Die Schulden der Staaten wären massiv gesenkt, die Inflationsrate dürfte deutlich anziehen und eine Entwertung der ebenfalls sehr hohen privaten Schulden bewirken.>

    „ZWECKS“ – das ist eine ILLUSION.

    Viele, wenn nicht die allermeisten würden nicht die Schulden tilgen. Und „sofort“ schon mal gar nicht. Wer sollte es auch supranational durchsetzen. Ich sehe niemanden.

    Die Staaten würden Nachfrage generieren, möglicherweise auch durch Steuersenkungen, die – wenn das hinreichend betrieben würde – durchaus zu Inflation führen könnte, allerdings mit einer Verfestigung von angebotsseitigen Strukturen, die vielfach nicht wettbewerbsfähig sind.

    Damit verbunden käme es zu Zinssteigerungen und in letzter Konsequenz der Entwertung der Schulden der privaten Schuldner.

    Wie das an diesem Punkt weitergeht, ist völlig offen. Es muss nicht, kann aber zu Chaos führen.

    Ich bin kein Schwarzseher, weise nur darauf hin:

    Die Bundesregierung ist „beunruhigt“ darüber, dass aufgrund der Geldpolitik, d. h. der „Bestrafung“ der Banken für Bargeldhaltung bei der EZB die Banken demnächst die Guthaben ihrer Kunden mit Negativzinsen belasten wollen.

    Ich sehe die Entwicklung nicht mit großer Gelassenheit an.

    Es stellt sich das Gefühl ein, nur ein Gefühl, aber immerhin eines:

    Ruhe vor dem Sturm.

    Antworten
  4. Felix Kurt
    Felix Kurt sagte:

    @ Inflationierung:

    Bei aller Hochachtung vor Ihren Beiträgen in diesem Forum: Wo genau wird denn die Inflationsrate in den USA und in Euroland Ende 2016 und im ersten Halbjahr 2017 Ihrer Meinung nach sein? Und wie leiten Sie das ab? Dann kann man sich überlegen, was die Geldpolitik – auch angesichts Ihrer verzögerten Wirkungsmechanismen – tun sollte, und auch was Sie falsch machen könnte.

    Bei allen theoretischen Szenarien aus Sicht der scheinbar isolierten und „in die Enge getriebenen Notenbank“ kommen m. E. die einzelnen Wirtschaftssubjekte, die Ökonomischen Sektoren und die tatsächlich preisbildenden Faktoren gar nicht mehr vor. Was hat denn in allen Konjunkturzyklen, sagen wir der letzten 100 Jahre, als maßgebliche Einflussfaktoren die Preise (Inflation, HVPI, CPI-U, welche Definition auch immer) beeinflusst? Doch nicht ausschließlich und auch nicht in erster Linie die Geldpolitik. Sie hat mangels vermeintlich exakt vorhersagbarer Steuerungsmöglichkeit in erster Linie eine Reaktionsmöglichkeit. Sonst wären bei all den Bemühungen seitens der Notenbanken in den letzten 15 Jahren die Inflationsraten ja wohl höher als heute.

    Die Geldpolitik wird da sicher überschätzt. Ließe sich mit ihr alles so feinsteuern, gäbe es die aktuellen Probleme wohl nicht. Sie hat die Probleme der Verschuldung sogar massiv verstärkt. Angesichts der Diskussion, z. B. auch über die vermeintlich richtige Höhe/Menge des Helikopter-Geldes, drängt sich mir der Verdacht von immer wieder auf KONTROLLILLUSION auf.

    Ich glaube aber auch nicht, dass die Mitglieder im FOMC oder im EZB-Rat oder deren Stäbe sich überschätzen. In allen bekannten ökonometrischen und gut fundierten Ansätzen, mit denen Volkswirte und Institutionen die konjunkturellen Dynamiken und, wie hier im Vordergrund stehend (vgl. Titel), die Preisentwicklungen analysieren und – gar nicht mal schlecht – prognostizieren, steht die – meist reaktive – Geldpolitik nicht an erster Stelle. Vielmehr sind es die Preisbildung auf Märkten für Güter und Dienstleistungen und das Verhalten der Wirtschaftssubjekte, die Zyklen von Über- bzw. Unterkapazitäten oder schlicht der Schweinezyklus bei Rohstoffen und Energie (Öl, Gas, etc.).

    Mit der „Methode des genauen Hinsehens“ kann man sich schon ein gutes Bild machen. (Herr Dr. Stelter, ich hoffe Sie können den Chart abbilden, vgl. separate Email) Jenseits von von r² und t-tests kann man hier den maßgeblichen Zusammenhang seit 1992 bis einschl. Februar 2016 im Bild erkennen. Man sieht die Bäume und den Wald! Die Rohstoffpreise sind der maßgebliche Einflussfaktor für die Veränderung der Inflation.

    Hier: Chart 1: All Commodity-Index vs. CPI-U in den USA und Chart 2: All Commodity-Index vs. HVPI Euro18, jeweils Jahresveränderungsraten, Monatsdaten von 1992 bis einschl. März 2016

    Wie wollte die Geldpolitik die Inflationsdynamik gegen die Rohstoffpreiszyklen (fein-) steuern, also wirklich ex ante? Dieser Einfluss galt auch in den Jahrzehnten davor und ist nicht das Ergebnis geldpolitischer Maßnahmen, sondern trotz . . . !! Vielmehr stimmt die in diesem Forum auch wieder zitierte These, dass die Konjunktur nicht an Altersschwäche stirbt, sondern am Überschießen des inflationsgetriebenen Zinsanhebungszyklus der (US-) Notenbank.
    Die Einflussfaktoren auf die Preisbildung haben unterschiedliche und im Zeitablauf veränderliche Gewichte, hängen ab von Produktivitäten, Kapazitäten (Was sind jetzt die tatsächlichen ökonomischen Kapazitäten nach dem längeren Abschwung im Zuge der Finanzkrise?), diversen Inputfaktoren und dem Grad der Flexibilität auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten, (handelsgewichteten) Wechselkursen, uvm., aber vor allem an den Commodity-Preisen.
    => Was ist denn Ihrer Meinung nach jetzt das tatsächliche Potentialwachstum in Europa, in den USA oder in China?

    Solange Überkapazitäten vorhanden sind, und die Produktionsfaktoren billig sind, wird die Versorgung mit immer mehr Geld alleine kaum Preisüberwälzungen und schließlich einen hinreichenden Anstieg des allgemeinen Preisniveaus erzeugen, den man dann Inflation nennen könnte. Mitte der 90er Jahre hat kein Geldtheoretiker vorhersehen können, welche Dynamiken die politischen Veränderungen in China bspw. auf die Energie – und Rohstoffmärkte der Welt und ihre Investitions- und Kapazitätszyklen ausübt, oder welche preisdämpfenden Effekte die neue „verlängerte Werkbank“ in China und in den Emerging Markets als Konkurrenz auf den arbeitsteiligen „Weltarbeitsmarkt“ ausübt.

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  5. michael fehlhaber
    michael fehlhaber sagte:

    Der Text erinnert an die Bildzeitung. Es hört sich schon etwas abenteuerlich an. Deshalb ist es nicht unbedingt unrichtig.

    Auf dieser Internetseite fehlt die Kritik. Die Meinung ist zu einheitlich.

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    • Daniel Stelter
      Daniel Stelter sagte:

      Naja. Texte für die BILD zu schreiben, ist bestimmt nicht leicht, insofern nehme ich es als Kompliment. Viele Gedanken zu den Hintergründen finden Sie hier auf bto und damit die erforderliche Vertiefung. Kritik gibt es hier durchaus … Sie können ja die bisher 3086 Kommentare durchschauen und gerne ergänzen. Soviel Sie wollen! LG DSt

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  6. Marc B.
    Marc B. sagte:

    Hallo Herr Stelter,

    ich frage mich gerade, ob – wenn der beschriebene Fall eintreten sollte und durch die Aufwertung von beispielsweise Gold die Schulden ‘verpuffen’ – es heute nicht besser wäre, an Stelle einer Sondertilgung von 1000 Euro lieber doch einen Krugerrand für 1100 zu kaufen. Oder abwechselnd dies oder das.

    Ich bin nach einer Heirat und zwei Kindern dabei, meine persönliche Nach-mir-die-Sintflut Verschuldung (Immobilie) durch regelmäßige Sondertilgungen auf Schulden und einen über Jahre im Voraus gezahlten (sofern man mich lässt) Bausparvertrag das Risiko immer weiter zu minimieren. In physisches Gold und Aktien großer Unternehmen habe ich auch investiert, da ich denke, dass ich im globalen Crash nicht alle Anlagen verlieren werde. Im Hinterkopf habe ich aber immer noch den Gedanken, ob es nicht vielleicht sinniger ist, mir die Immobilie durch die kommende Inflation bezahlen zu lassen, anstelle von fast monatlichen Sondertilgungen/Überzahlungen von heute noch ‘harten 1000 Euro’, die auch in z. B. Gold hätten investiert werden können. Ich bin überzeugt, dass die ‘große Inflation’ kommen wird. Der Lastenausgleich für meine irgendwann bezahlte Immobilie kommt zweifelsohne auch – ob ich durch Inflation schuldenfrei werde oder durch stetige Anstrengung heute.

    Was denken Sie außerdem: Würde es nicht so passieren, dass die Menschen davon ausgehen, dass Sie sich nach diesem Reset erneut exzessiv verschulden können, da das ein oder andere Asset sie am Ende (nach einem nächsten Reset in 30 Jahren) erneut empor heben wird?

    Vielen Dank für Ihre tollen Artikel und die vielen Denkansätze!

    Marc B.

    Antworten
  7. Christian Müller
    Christian Müller sagte:

    Ergänzung: Helikoptergeld ist ja bloss die nachträgliche Korrektur des Fehlens von Kaufkraft durch den Erwerbslohn. Und vor dem Helikoptergeld war dies die Funktion der Konsumentenkredite. Hier scheint mir das Grundproblem der derzeitigen Entwicklung zu liegen.

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  8. Christian Müller
    Christian Müller sagte:

    @ Inflationierung: der einzige sinnvolle Weg zur Inflationierung besteht in der Erhöhung der Löhne. Alle rein monetären Massnahmen der CBs müssen fehlschlagen, weil das Geld immer nur denen gegeben wird, die es nicht ausgeben und auch nicht ausgeben müssen.
    D.h. der Trend seit den 70ern, dass der Anteil der Arbeiter- und Angestellten-Löhne am BSP ständig sinkt, müsste umgedreht werden. Sobald die Löhne schneller steigen als die Produktivität, gibt es unweigerlich Inflation.
    Weshalb will das aber niemand? Weshalb setzt sich niemand dafür wirklich ein?
    Oder liegt es schlicht darin, dass dieser Zusammenhang in der monetaristischen Basis-Theorie nicht vorkommt?

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    • Daniel Stelter
      Daniel Stelter sagte:

      Ich denke, in einem globalen Arbeitsmarkt ist das schwierig, vor allem, solange es ein massives Überangebot an Arbeitskräften gibt. Da bleibt dann nur das Thema Vertrauensverlust und in die Richtung geht der Kommentar.

      Antworten
  9. Johannes
    Johannes sagte:

    “Was liegt näher als die Neubewertung von Gold über Nacht?”

    Nichts – aber ich höre schon diejenigen “aufschreien”, die “das” für ungerecht halten werden. Denn die Deutschen sind “goldbetucht” – aber sicher nicht alle:

    Ist hier nachzulesen: http://www.welt.de/finanzen/article10713549/Buerger-besitzen-mehr-Gold-als-die-Bundesbank.html

    Diese privanten (8850 t) Goldbestände würden auch von der Aufwertung erfasst; gut hier könnte mittels Besteuerung gegen gewirkt werden (beim Verkauf beispielsweise). Aber würden sich dafür politische Mehrheiten finden?

    Und wie sieht es mit Silber, dem kleinen “Bruder” von Gold aus? Silber könnte sich einer Goldneuberwertung nicht entziehen und würde auch deutlich aufwerten.

    Antworten
    • Daniel Stelter
      Daniel Stelter sagte:

      Es geht um die ABWERTUNG von Fiat Money gegenüber allem anderen bei einem Schuldenschnitt via Notenbank. Das ist der Kern. Alle Sachwerte profitieren, weshalb natürlich ein „Lastenausgleich“ gefordert werden wird und auch kommt.

      Antworten
      • Ralph Klages
        Ralph Klages sagte:

        Und da wundert man sich, dass die Immobilienpreise steigen bis zu einem Preis-Top, dass die Mieteinnahme beinahe einer Null-Rendite entspricht, wie gestern hier diskutiert.
        Mit dem Lastenausgleich bei Immo. ist das so ein Ding: Grundsteuern erhöhen ? Werden umgelegt; und Unternehmen werden protestieren.
        Gold ist da viel sensibler: Metall der “Reichen”. Denk an 1933: Da hat die US-Steuerbehörde Banksafes in großer Menge zwangsgeöffnet und alles eingesackt.

      • Christian Durst
        Christian Durst sagte:

        Das soll die Antwort auf die (richtig beschrieben) Probleme sein? Wir machen diese Maßnahmen dann alle paar Jahre? Weil das Problem wird damit ja schließlich nicht gelöst.

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