„Bargeld­verbot als Ultima Ratio“

Wenn es ernst wird, greifen die Mächtigen zu drastischen Mitteln. Am 5. April 1933 unterzeichnete US-Präsident Franklin D. Roosevelt die Executive Order 6102, die den privaten Goldbesitz in den USA per 1. Mai 1933 verbot. Jeder, der mehr als fünf Unzen Gold besaß, musste dieses unter Androhung erheblicher Strafen innerhalb von 14 Tagen bei staatlichen Stellen abliefern. Die Entschädigung war gering, vor allem verglichen mit der kurz darauf erfolgenden Abwertung des US-Dollars gegenüber Gold.

Ziel der Aktion war, den Abfluss von Gold in das Ausland zu stoppen, vor allem aber die Bekämpfung der wirtschaftlichen Depression. Die Abwertung des Dollars gegenüber Gold war faktisch eine Entwertung des Geldes und ein wichtiger Baustein von Roosevelts New Deal, dem Programm zur Konjunkturbelebung mit dem Ziel die USA aus der Großen Depression als Folge des Schuldenbooms der 1920er Jahre zu befreien.

Auch heute ist es wieder ernst.

Als ob es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Regierungen und Notenbanken der Welt in der Bewältigung der Schuldenkrise mit ihrem Latein am Ende sind. Hier ist er: Das Verbot von Bargeld wird offen gefordert. Gold spielt in unserem heutigen Geldsystem keine Rolle mehr. Bargeld hingegen bietet noch die Möglichkeit, aus dem überwiegend von Banken gesteuerten Geldwesen zu flüchten.

Schulden außer Kontrolle

Der überwiegende Teil des Geldes, mit dem wir jeden Tag bezahlen, wird nicht von den Zentralbanken geschaffen, sondern von den privaten Geschäftsbanken. Diese schaffen das Geld, indem sie ‒ hoffentlich gegen Sicherheiten guter Qualität ‒ Kredite gewähren, die wiederum zu Sichteinlagen bei Banken führen. Das Geld, welches Sie auf ihrem Bankkonto haben, ist lediglich eine Forderung gegen die Bank ‒ und einem entsprechenden Risiko ausgesetzt. Es ist damit schlechteres Geld als der 50-Euro-Schein in ihrem Portemonnaie, wobei auch dieser nur so gut ist wie die Qualität der Aktiva der Europäischen Zentralbank, die sich vor allem aus Staatsanleihen und Krediten an Banken und den dafür hinterlegten Sicherheiten zusammensetzen.

In den letzten Jahrzehnten haben die Banken der Welt von der Möglichkeit, Kredite zu vergeben, reichlich Gebrauch gemacht. Zwischen 1980 und 2010 hat sich die Verschuldung in den Industrieländern relativ zum Bruttoinlandsprodukt mehr als verdoppelt. Eine Tendenz, die sich weltweit ungebremst fortsetzt, wie McKinsey kürzlich vorgerechnet hat.

Alleine seit 2007 stieg die weltweite Verschuldung demnach um fast 50 Billionen US-Dollar. Dieser Schuldenberg wäre schon längst in sich zusammengebrochen, wären die Zinsen nicht immer mehr gesunken. Banken und Notenbanken haben alles daran gesetzt, den Schuldnern beim Tragen ihrer Last zu helfen. Damit stabilisieren sie den Schuldenturm unten, befeuern zugleich jedoch den Bau weiterer Stockwerke. Geld kann heute gar nicht billig genug sein.

Die Mär vom Ersparnisüberhang

Der Ruf nach einem Verbot für Bargeld kam zunächst von anderer Seite. Gemäß dem ehemaligen US-Finanzminister und Harvard-Ökonomen Larry Summers leidet die Welt unter einem Ersparnisüberhang und drohe deshalb in eine “säkulare Stagnation” zu fallen.

Auf Jahrzehnte hinaus müssen wir uns demnach auf geringes Wachstum und zunehmende wirtschaftliche und soziale Probleme einstellen. Ursache dafür sei, dass in einigen Ländern wie China oder Deutschland die Menschen zu viel sparen, statt zu konsumieren oder zu investieren. Deshalb exportieren sie ihre Ersparnis ins Ausland und führen damit zu einem Überangebot an Sparkapital, für das es keine ausreichende Nachfrage gibt.

Es gibt ‒ so die Argumentation ‒ nicht genügend attraktive Investitionsprojekte, weshalb selbst Zinsen von null nicht zu einer Belebung der Nachfrage führen. Notwendig wäre ein Ausgleich von Angebot und Nachfrage nach Kapital durch staatliche Konjunkturprogramme und negative Zinsen. Letztere würden Investitionen attraktiver machen, so die Hoffnung. Konsequenterweise war Summers dann auch einer der Ersten, der die Forderung aufgestellt hat, Bargeld zu verbieten. Nur so lässt sich eine Flucht der Sparer vor der eigenen Enteignung verhindern.

Dreißig verlorene Jahre 

Die Theorie vom Ersparnisüberhang steht auf ziemlich wackeligen Beinen. Zunächst vernachlässigen Summers und seine Mitstreiter die massiv gestiegene weltweite Verschuldung völlig. Zum anderen übersehen sie, dass die Ersparnisse nur das Spiegelbild der gestiegenen Schulden sind. Keine Ersparnis besteht ohne das Spiegelbild der Schuld. Folglich sind es die hohen Schulden, die das Wachstum drücken und damit eine säkulare Stagnation heraufbeschwören.

Die Annahme, dass man die Zinsen nur weit genug in den negativen Bereich drücken muss, um Investitionen zu befeuern, ist reichlich naiv. Unternehmen investieren, weil sich Projekte lohnen, nicht weil man ihnen Geld schenkt.

Vielmehr besteht die Gefahr von Fehlinvestitionen und Kapitalmarktblasen, die die nächste Krise nur noch schlimmer machen. Staatliche Schulden ‒ und seien sie noch so günstig finanziert ‒ müssen irgendwann auch einmal bedient oder zumindest umgeschuldet werden. Eine weitere Last für die ohnehin schon überschuldete nächste Generation.

Nur wenn wir es schaffen, den Schuldenüberhang aus der Welt zu schaffen, ist der Weg zu neuem Wachstum wieder frei. Doch danach sieht es nicht aus. Die Schulden wachsen ungebremst weiter und die Politik versucht verzweifelt, die nominale Wachstumsrate über den Nominalzins zu bekommen. Reales Wachstum ist angesichts von Schuldenlast, demnächst schrumpfenden Bevölkerungszahlen und rückläufigen Produktivitätszuwächsen nicht zu erwarten.

Inflation will sich allen Bemühungen der Notenbanken zum Trotz ebenfalls nicht einstellen, überwiegt doch der tendenziell deflationäre Druck der Schulden.

Bleibt nur, die Zinsen weit nach unten in den negativen Bereich zu drücken. Wie extrem wir dabei in den negativen Bereich gehen müssen, zeigt ein Blick auf die Nachkriegszeit in den USA. Über Jahre hinweg lag das Nominalwachstum um rund fünf Prozentpunkte über dem Nominalzins. Auf heute übersetzt, bräuchte die Welt einen Negativzins von fast fünf Prozent! Und selbst dann würde die Verschuldung nur sinken, wenn keine neuen Schulden gemacht werden.

Wer will sich schon enteignen lassen?

Gute Gründe für Sparer aus dem System zu fliehen. Nicht nur drohen Negativzinsen und Kapitalverkehrsbeschränkungen. Auch die Gefahr, bei weiteren Bankkrisen wie in Zypern zur Kasse gebeten zu werden, spricht für geringe Forderungen gegen Banken. Anleihen bieten viel Risiko bei wenig Ertrag, Aktien sind nicht jedermanns Sache und zudem auch nicht mehr billig. Bleiben Gold und Bargeld als Alternativen. Ein Schrankfach bei der Bank gemietet und schon ist man Risiken und Negativzinsen los. Der Verlust ist jedenfalls nicht größer als bei den Alternativen.

So dachten auch einige Schweizer Pensionskassen. Die Schweiz ist uns dank der ungebremsten Nachfrage nach Franken und im Bemühen, eine weitere Aufwertung zu verhindern, auf dem Weg in den Negativbereich schon weit voraus. Doch als sie versuchten Geld abzuheben, um es in einem Safe zu deponieren, wurde dies von der Bank verweigert, vermutlich auf Weisung der Schweizer Notenbank erzählt man sich.

Die Bedeutung dieses Eingriffs kann man gar nicht stark genug betonen. Die Bank hat also im Einklang mit der Notenbank den Zugriff auf das nur von der Zentralbank geschaffene Geld verweigert. Dabei steht hinter jedem Kontoguthaben das Versprechen, dieses jederzeit in Bargeld zu tauschen. Nun wissen wir alle, dass dies unmöglich ist und die Banken dieses Versprechen nie erfüllen könnten. Da wir aber wussten, dass es außerhalb von Bankenkrisen problemlos möglich ist, haben wir uns mit dem Geld zweiter Qualität zufriedengegeben. Nun wissen wir alle, dass das Geld bei einer Bank eben nicht mit dem Euroschein in unserer Tasche vergleichbar ist. Es ist weniger wert, weil risikobehaftet und müsste eigentlich mit einem Abschlag zu Bargeld gehandelt werden.

Geld bei der Bank müsste gegenüber Bargeld mit einem Abschlag gehandelt werden

Genau so einen Abschlag plant die Schweizer Nationalbank jetzt einzuführen, doch mit umgekehrten Vorzeichen! Nicht das Kontoguthaben soll gegenüber dem Bargeld abgewertet werden (also so, dass man für 100 Euro, die man auf ein Konto einzahlt, 101 Euro gutgeschrieben bekommt), sondern das Bargeld gegenüber dem Konto.

Im Gespräch ist ein Umtauschkurs, wonach man bei der Einzahlung von Bargeld weniger gutgeschrieben bekommt. Zusätzlich sind weitere Restriktionen für Bargeld im Gespräch. Barzahlungen werden nur noch bis zu einer bestimmten Größenordnung zugelassen, und wenn man größere Beiträge wieder einzahlen möchte, muss man nachweisen, dass es sich um exakt dieselben Scheine handelt, die man zuvor abgehoben hat.

 Wir werden alle Kriminelle 

Weltweit mehren sich die Stimmen, die uns vom Bargeld abringen wollen. So sei es doch viel effizienter und praktischer, nur noch elektronisch zu bezahlen. Nur Kriminelle und Steuersünder würden noch mit Bargeld bezahlen. Klartext: Wer bar bezahlt, hat vermutlich Dreck am Stecken. Vorsicht!

Dabei spricht viel für Bargeld: Es erlaubt ein gewisses Maß an Privatheit, denn nicht alles, was ich tue, geht den Staat, die Banken und das Internet etwas an. Es ist eine Forderung gegen die Notenbank und damit von deutlich besserer Bonität als die Forderung gegen meine Bank. Der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhoff sprach von der “gedruckten Freiheit”.

So sieht es auch die Bundesbank, die sich im Rahmen einer Pressekonferenz ganz eindeutig gegen ein Bargeldverbot ausgesprochen hat. Die Börsen-Zeitung zitiert Bundesbankvorstand Carl-Ludwig Thiele: “Die Wahlfreiheit des Verbrauchers wird die Bundesbank nicht einschränken. Das müsste dann schon der Gesetzgeber tun.

Die bisherige Erfahrung mit dem Krisenmanagement der Regierenden macht dabei nicht optimistisch. Angesichts der ungebremsten Schuldenentwicklung und des unzureichenden Wachstums wird die Politik immer radikalere Maßnahmen ergreifen. Das Bargeldverbot passt dabei durchaus in das Konzept. Wäre es doch möglich, einen Negativzins als Strafsteuer für Sparer unmittelbar durchzusetzen und wenn dies nicht genügen sollte, gleich Vermögensabgaben umzusetzen.

Uns als Bürgern bleiben dann nur noch wenige legale Möglichkeiten des Widerstands, wie zum Beispiel Rechnungen und Steuern schon im Voraus zu bezahlen. Oder wir weichen aus: in alternative Zahlungsmittel wie Bons oder Zigaretten, in fremde Währungen oder eben doch in Gold. Das Verbot desselben wäre dann der konsequente nächste Schritt.

Dieser Kommentar erschien bei manager magazin online:

→ manager-magazin.de: „Bargeldverbot als Ultima Ratio“, 13. Mai 2015

Kommentare (4) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Bernie
    Bernie sagte:

    Wertvoller Artikel, hoffentlich mehr gelesen als kommentiert. Ich denke, das Bargeldverbot hat noch einen zusätzlichen Hintergrund: Bankrun vermeiden und Ermöglichen eines Vermögensschnitts zur Entschuldung Europas. Wie sagte noch Merkel? Wir haben doch gar kein Schuldenproblem, da € 2000 Mrd. Schulden € 4000 Vermögenswerte gegenüberstehen. Also 50%er Schuldenschnitt und die Wohlfahrtsparty kann die nächsten 20 Jahre hemmungslos weiter gehen. Politiker versuchen immer, sich die Stimmen zu kaufen, die sie brauchen, um an der Macht zu bleiben, warum nicht ganz einfach die Mehrheit Alter und Staatsabhängiger kaufen? Wer denkt schon an die Kinder – die meisten werden in 20 Jahren ohnehin Migrantenkinder sein. Zynisch? Nein, ich meine leider realistisch. Gold und Bargeld stören dabei nur. Deren Verbot sind die neuen Mauern des sozialistischen Rentnerstaats Deutschland.

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  2. Hartmut G.
    Hartmut G. sagte:

    “Im Gespräch ist ein Umtauschkurs, wonach man bei der Einzahlung von Bargeld weniger gutgeschrieben bekommt.”

    Köstlich, zum Totlachen. Hätten Sie Bargeld, würden Sie es einzahlen? Wohl kaum. Das Gegenteil wird die Konsequenz sein: Jedes einmal ausgezahlte Bargeld (ob mit oder ohne einmalige Gebühr) wird nie wieder den “offiziellen” Geschäftskreislauf wiedersehen und unter der Matraze laden. Wenn Greshams-Gesetz eine Gültigkeit hat, würde das also was bewirken? Richtig, einen florierenden Schwarzmarkt, denn wer will dann schon noch die willkürlich zu enteignenden elektronischen Verrechnungseinheiten? Und wenn man dann schon einmal dabei ist, warum dann noch länger “auf Rechnung” zahlen?
    Ist schon erstaunlich, die Bofingers dieser Welt erreichen immer genau das Gegenteil :D
    Und wenn der Herr Bofinger das Bargeld abschaffen möchte, warum dann nicht gleich Geld insgesamt? Denn nichts anderes wäre dieser Vorstoß. Die weiteren Geldmengenaggregate sind nichts anderes als Derivate auf das Original. Schafft man das Original ab, schafft man auch den Rest ab. Nur zu Herr Bofinger, lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.
    mfG, HG

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  3. Dieter Krause
    Dieter Krause sagte:

    Bofinger stößt jetzt auch in das Horn – ein ganz gefährlicher Angriff auf unsere Freiheit: Bargeld ist gemünzte Freiheit! Natürlich begründen diese Ökonomen das immer mit solchen Pseudoargumenten wie Austrocknen der Schwarzarbeit oder dem Verhindern krimineller Geldwäsche. – Dem Thema sollte sich jetzt unbedingt auch mal die FDP annehmen – mal sehen, ob die was gelernt hat aus ihrem Absturz 2013! Aber ganz sicher kann man sich bei der Umfallerpartei natürlich nicht sein! – Im übrigen: Vollgeld statt Bargeldverbot! Das scheint mir die Alternative dazu zu sein. Hätte außerdem noch einige positive makroökonomische Effekte.
    Münzen und Scheine sind überholt und schmälern nur den Einfluss von Notenbanken. Diese Position vertritt der Wirtschaftsweise Peter Bofinger. Die Bundesregierung solle sich für die Abschaffung von Bargeld einsetzen, fordert er im SPIEGEL.
    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/bargeld-peter-bofinger-will-muenzen-und-scheine-abschaffen-a-1033905.html

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  1. […] eine Idee, die nicht der Verhinderung von Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung dient, sondern der Umsetzung von Negativzinsen im verzweifelten Versuch, den Schuldenturm vor dem Einsturz zu bewahren. Würde nur Zeit kaufen. Verhindern lässt sich eine Anpassung ohnehin nicht. Nun also die FT […]

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