„Piketty beschreibt Symptome, nicht Ursache“ – Makroökonom Daniel Stelter kritisiert Wirtschaftsbestseller

Frankfurt, 13.10.2014 – Mit dem Erscheinen einer deutschen Übersetzung von Thomas Pikettys “Das Kapital im 21. Jahrhundert” erhält die Debatte um die ungleiche Verteilung von Vermögen neuen Schwung. “Dabei beschreibt Piketty nur die Symptome, nicht die Ursache”, kritisiert Daniel Stelter, Makroökonom und Autor der Replik “Die Schulden im 21. Jahrhundert”. Denn ohne die massive Verschuldung der letzten Jahrzehnte wäre es gar nicht zu der von Piketty beklagten Konzentration von Vermögen und Einkommen gekommen. “Wir haben eine von Schulden und billigem Geld geschaffene Vermögensillusion”, so Stelter, Gründer des auf Strategie und Makroökonomie fokussierten Forums “Beyond the obvious”.

Die Kernaussagen in Stelters Replik*, die Pikettys Thesen zusammenfasst, bewertet und um die fehlenden Aspekte ergänzt:

  • Der Hauptbeitrag von Piketty liegt in der Aufbereitung der historischen Daten zu Vermögen und Vermögensverteilung. Die von ihm daraus abgeleiteten Thesen stehen jedoch auf schwachem Fundament.
  • Eine “Weltformel”, wonach die Kapitalrendite nachhaltig über der Wachstumsrate der Wirtschaft liegt, gibt es nicht. Ausgehend von heutigen Bewertungsniveaus können Kapitalanleger froh sein, eine reale Rendite vor Steuern von zwei Prozent zu erzielen; weitaus weniger als Piketty in seinem Modell annimmt. Läge die Rendite tatsächlich dauerhaft über der Wachstumsrate der Wirtschaft, müsste der Anteil der Gewinne am Volkseinkommen auf 100 Prozent wachsen. Dies ist unmöglich.
  • Piketty vernachlässigt die Wirkung steigender Schulden auf die Vermögenswerte. Ohne die Möglich­keit, Vermögensgegenstände mit billigen Krediten zu erwerben, lägen die Vermögenswerte deutlich tiefer. Vermögen sind demnach nur ein Symptom, die Schulden die wahre Ursache.
  • In der Tat zeigt sich eine deutliche Korrelation zwischen den von Piketty gemessenen Vermögens­zuwächsen und den gestiegenen Schulden von Staaten und Privatsektoren.
  • Piketty sieht die Lösung in mehr Umverteilung und mehr staatlichem Einfluss. Richtiger wäre es, das Wachstumspotential der Wirtschaft zu erhöhen – durch mehr Investitionen in Innovation, Bildung und Infrastruktur.
  • Dennoch wird Pikettys Empfehlung, die Steuern deutlich zu erhöhen, die Politik der kommenden Jahre bestimmen. Denn nur über mehr Abgaben wird die Politik in der Lage sein, die Schuldenkrise zu bewältigen.
  • Damit bewahrheitet sich die Aussage des italienischen Nationalökonoms Vifredo Pareto, der schon vor hundert Jahren feststellte, dass es für die Regierenden weniger eine Rolle spielt, ob eine Theorie richtig oder falsch ist, als dass sie ihnen nutzt.

*„Die Schulden im 21. Jahrhundert“, erschienen am 15.9.2014 im Frankfurter Allgemeine Buch Verlag.